Anti-Hautkrebs-Kampagne

■ Das Image des braungebrannten Australiers ist zwar längst nicht mehr angebracht, aber nach wie vor aktuell

Im Februar dieses Jahres bekamen 10.000 australische Bauarbeiter ein unerwartetes Geschenk: Das Paket enthielt einen breitkrempigen Hut, ein dichtgewebtes T-Shirt, eine Tube Sonnencreme, Schutzfaktor 15, und ein Faltblatt mit dem Titel „Hautkrebs – arbeite dagegen“. Die Bauarbeiter gehören zur größten Risikogruppe, aber auch der Durchschnittsaustralier, der sich unzureichend geschützt der Mittagssonne aussetzt, verbrennt in nur 12 Minuten.

Ginge es nach dem Willen des NSW Cancer Council, so gehörte das Image des braungebrannten Australiers mit sonnengebleichten Haaren bald der Vergangenheit an.

Australien hat die höchste Hautkrebsrate der Welt. Laut Statistik erkranken zwei von drei Australiern an Hautkrebs. Circa 75 Prozent aller Fälle sind Basalzellkarzinome. Sie bilden keine Metastasen. Werden sie nicht entfernt, können sie jedoch das Gewebe ernsthaft beschädigen. Weitere 20 Prozent sind squamöse Karzinome, von denen circa zwei Prozent bösartig sind. Das Melanom ist der am seltensten auftretende und gleichzeitig der gefährlichste Hautkrebs. Achtzig Prozent der jährlich eintausend Todesfälle sind darauf zurückzuführen. Bei rechtzeitiger Diagnose besteht eine Heilungschance von über 90 Prozent.

Der dramatische Anstieg der Hautkrebsrate in Australien steht in engem Zusammenhang mit der Verringerung der Ozonschicht und der damit einhergehenden Zunahme der UV-Strahlung. In einer Studie des National Health and Medical Research Council wird geschätzt, daß eine einprozentige Verringerung der Ozonschicht zu 5.100 neuen Hautkrebsfällen führt. Die hiesige Annahme, eine Nation sitze verschreckt in ihren Häusern, bombardiert von Burn-time-Warnungen aus Radio und Fernsehen, trifft nicht zu. Trotz der hinlänglich bekannten Risiken sind die Australier weit davon entfernt, ihr Brown-is-beautiful-Ideal aufzugeben.

Nicht nur in den Sommermonaten bevölkern spärlich bekleidete Sonnenanbeter die Strände der Metropole Sydney. „Wir sind das Klima hier in Australien gewohnt“, versichert eine junge Frau, deren Kind ungeschützt im Sand buddelt. Sie fühlt sich offensichtlich gegen die Sonne abgehärtet.

Das NSW Cancer Council hat Unwissenheit und Ignoranz den Kampf angesagt. Seit zehn Jahren warnt die zu 90 Prozent aus Spenden finanzierte Organisation mit öffentlichen Kampagnen vor den Risiken durch zuviel Sonne. Das Dünnerwerden der Ozonschicht hat dem Council zu neuer Popularität verholfen. Das Ziel der National-Skin-Cancer-Awareness- Kampagne für das Jahr 1992 ist die Aufklärung der Bevölkerung über die drohenden Risiken. „Eine vornehmlich hellhäutige Nation, die sich jahrzehntelang sorglos der Sonne ausgesetzt hat, muß nun praktisch ihr gewohntes Verhalten ändern“, erklärt Erin Sheil, Sprecherin des Cancer Council. „Besonders schwierig ist es, das Verhalten und die Gewohnheiten von Erwachsenen zu beeinflussen.“

Die Kosten für die medizinische Behandlung von Hautkrebs betragen 100 Millionen A-Dollar jährlich. Schon allein deshalb wird die Prävention dieser als vermeidbar eingestuften Krebsart als Hauptziel formuliert.

Die Anti-Hautkrebs-Kampagne zielt hauptsächlich auf Jugendliche ab. In enger Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium wurde eine Kampagne speziell für Schulen entwickelt. Lehrer erhalten Unterrichtsmaterialien und Informationen. Es wird empfohlen, Hüte zum obligatorischen Bestandteil der Schuluniform zu machen. An einigen Schulen kam es zu Pflanzaktionen schattenspendender Bäume, und Dächer wurden über Freiflächen errichtet. Die Schulen sind bisher der einzige Bereich im öffentlichen Leben, in dem eine konsequente Aufklärung verfolgt wird.

Aber auch populäre Mädchenmagazine wie Dolly und Look klären ihre Leserinnen auf und verbreiten die vom Cancer Council empfohlenen Verhaltensregeln. Modelle in Jugendzeitschriften zeigen sich zunehmend hellhäutiger, und in Drogerien werden spürbar mehr Sonnenschutzcremes verkauft. Der Wandel vollzieht sich langsam, aber stetig, und schon bald könnte sich ein deutscher Tourist nackt fühlen unter den sonst gar nicht so „zugeknöpften“ Einheimischen. Elke Hoppe