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Korruptionsanklage gegen Collor

■ Staatsanwalt reicht Anklageschrift gegen Brasiliens suspendierten Präsidenten wegen Bestechlichkeit und Bildung einer kriminellen Vereinigung ein/ Auch brasilianische Daimler-Benz-Tochter gerät in Verruf

Brasilia/Rio (AFP/dpa/wps) – Gegen den suspendierten brasilianischen Präsidenten Fernando Collor de Mello ist jetzt Strafanklage erhoben worden. Generalstaatsanwalt Aristides Junqueira reichte am Donnerstag die Anklageschrift beim Obersten Bundesgericht in Brasilia ein. Collor wird darin der Bestechlichkeit und der Bildung einer kriminellen Vereinigung beschuldigt. Für das erste Delikt drohen Collor bis zu acht Jahre, für das zweite bis zu drei Jahre Haft. Damit das Gerichtsverfahren eröffnet werden kann, muß das Abgeordnetenhaus mit Zweidrittelmehrheit entscheiden, ob die Immunität Collors aufgehoben wird.

Gemeinsam mit Collor wurden weitere neun Personen angeklagt, darunter sein ehemaliger Wahlkampfmanager, der Unternehmer Paulo Cesar Farias, der als Schlüsselfigur des Korruptionsskandals gilt. Für Farias wie auch den früheren Privatsekretär Collors, Claudio Vieira, beantragte Junqueira Vorbeugehaft. In das mutmaßlich von Farias organisierte Korruptionssystem sollen nach Erkenntnissen des Generalstaatsanwalts mehr als 55 Millionen Dollar (rund 83 Millionen Mark) geflossen sein, die von 25 privaten Unternehmen gezahlt worden sein sollen. Mehr als sieben Millionen Dollar (etwa elf Millionen Mark) davon soll Collor direkt oder indirekt persönlich erhalten haben.

Unter den zahlenden Unternehmen waren nach Presseberichten die brasilianischen Baukonzerne Odebrecht und Andrade Gutierrez, das größte brasilianische Privatunternehmen Votorantim und die brasilianische Daimler-Benz Tochter „Mercedes-Benz do Brasil“ Nach Berichten brasilianischer Medien, die sich auf Polizeiquellen beriefen, soll der Mercedes-Manager Mario Vargas in einer Aussage vor der Bundespolizei die Zuweisung von 1,1 Millionen Dollar (rund 1,75 Millionen Mark) an eine Firma und eine Scheinfirma von Farias enthüllt haben. Insgesamt soll Farias über 1,4 Millionen Dollar (rund 2,25 Millionen Mark) gefordert haben, um bei einer Wahl Collor-freundliche Kandidaten zu unterstützen. Vargas erläuterte den Berichten zufolge, Mercedes habe keine andere Wahl gehabt, als zu zahlen, da sogar mit der Schließung des Unternehmens gedroht worden sei. Die Mercedes- Benz-Pressestelle in Sao Paulo lehnte gestern eine Stellungnahme zu den Berichten ab.

Parallel zu diesem Verfahren läuft gegen den 43jährigen Collor noch das parlamentarische Verfahren wegen Verletzung der Amtspflicht. Das Abgeordnetenhaus hatte Collor vor sechs Wochen vorläufig seines Amtes enthoben; die zweite Kammer des Kongresses, der Senat, muß nun entscheiden, ob Collor endgültig abgesetzt oder wieder in sein Amt eingesetzt wird. Diese Entscheidung soll zwischen dem 15. und 23.Dezember fallen. Seit der vorläufigen Amtsenthebung Collors wird das größe Land Lateinamerikas von Vizepräsident Itamar Franco regiert.

Für die Eröffnung des Gerichtsverfahrens gegen Collor sind dem Obersten Gericht keine Fristen gesetzt. Wenn das Repräsentantenhaus die Immunität Collors aufhebt, müssen die elf Richter des Obersten Gerichts als nächsten Schritt Zeugen der Anklage und Verteidigung anhören, um dann ihr Urteil zu fällen. Gegen dieses Urteil ist keine Berufung möglich.

Seit Itamar Franco Anfang Oktober die Nachfolge Collors als Präsident Brasiliens angetreten hat, hat sich die tiefe Wirtschaftskrise des Landes eher noch verschlimmert. Die monatliche Inflationsrate liegt bei 25 Prozent, und Franco hat noch keinen überzeugenen Wirtschaftsplan vorgelegt. Eine Steuerreformgesetzgebung schlummert noch im Parlament, da Franco keine eigene politische Partei zur parlamentarischen Durchsetzung seiner Ideen hat.

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