: Asylstreit wirbelt SPD-Delegierte durcheinander
■ Nach dem Bremer SPD-Landesparteitag ist die Diskussion um das Asyl-Grundrecht wieder neu entbrannt
Sieben Wochen ist es her, da hat die Bremer SPD auf einem Sonderparteitag in Bremerhaven ein klares Nein zur Änderung des Grundgesetz-Artikels 16 beschlossen. Insgesamt sechs BremerInnen, fünf Delegierte und SPD-Bundesvorstandsmitglied Henning Scherf, sollen die Bremer Linie in Bonn vertreten.
Die Antragskommission des Bundesparteitages hat im Vorfeld einen Antrag formuliert, in dessen Zentrum das Grundrecht auf Asyl nach Genfer Flüchtlingskonvention und Europäischer Menschenrechtskonvention steht. Wegbereiter dieses „Kompromiß-Antrages“ ist der Bremer SPD-Parteivorsitzende Horst Isola, auf dem Bremer Parteitag noch Verfechter der Unantastbarkeit des Artikels 16. Er wertet den vorliegenden An
trag als Erfolg für die Parteilinken. „Die Länderlisten aus den Petersberger Beschlüssen sind 'raus, die Möglichkeit, Asylbewerber schon an den Grenzen abzuweisen, ist 'raus, und die Rechtsweggarantie für Asylbewerber bleibt im Grundgesetz.“ Ein Grundrecht auf Asyl auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention „geht weiter als der bisherige Artikel 16“, sagt Isola. Trotz aller Zufriedenheit schmeckt dem Parteivorsitzenden der ganze Antrag doch nicht. Ein „Zugeständnis“ sei der Absatz im Antrag, der Asylbewerbern aus Drittländern das Asylrecht verwehrt, die die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben haben. Danach gilt nicht als verfolgt, wer in einem solchen Drittland Aufenthalt hat oder über ein solches Land in die BRD kommt. „Aber diese Regelung betrifft nicht einmal 100 Leute von 256.000 Asylbewerbern im letzten Jahr.“
Differenzen zur Asylposition des Bremer Bürgermeisters Klaus Wedemeier gibt es für Isola jetzt nicht mehr: „Das ist auch der Vorschlag des Bürgermeisters gewesen im Sommer, aber wir wollten das nicht gleich anbieten, sonst hätten wir noch mehr Zugeständnisse machen müssen.“
Henning Scherf wird als Mitglied des Bundesvorstandes am Bonner Parteitag teilnehmen. Scherf war sowohl bei den Petersberger Beschlüssen als auch auf dem Bremer Landesparteitag entschiedener Gegner einer Änderung des Asyl-Artikels im Grundgesetz. Dem vorliegenden Antrag wird er zustimmen. „Was die in Petersberg erwartet haben, ist wegformuliert. Für den Parteitag wird dieser Kompromiß reichen, für Verhandlungen zwischen den Fraktionen von CDU und SPD aber nicht.“
Positiv wertet er aber die SPD-interne Debatte um das Asylthema: „Zum ersten Mal seit den Stationierungsbeschlüssen gibt es unter der Beteiligung der SPD wieder ein Bündnis gegen den politischen Opportunismus.“ Problematisch ist für ihn der Absatz 6b des Antrages. Die Abschiebung von Asylbewerbern, die über europäische Drittländer in die Bundesrepublik kommen, dürfe nicht gemeint sein. „Das ist ein interpretationsbedürftiger Satz. Wenn der so ausgelegt würde, wären davon ja über 90 Prozent aller Asylbewerber überhaupt betroffen.“ mad
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