Sanssouci
: Nachschlag

■ Chava Alberstein und die Klezmatics im Hebbel-Theater

Der Berliner lachte, weinte und klatschte mit ungewohnter Heftigkeit, als am Sonntag abend die New Yorker Klezmatics auf die Grande Dame des jiddischen Liedes, Chava Alberstein aus Israel, trafen. Respektvoll ließen die Burschen von der Lower East Side die Alberstein den ersten Teil des Abends allein bestreiten: Begleitet nur von ihrem eigenen Gitarrenspiel sang sie mit einer Stimme, die man sich über den Feldern eines Kibbuz schwebend vorstellen darf, Lieder vom Ankommen in Israel, dem Fremdsein im eigenen Land; von König David, vom Lernen des hebräischen Alphabets, und vom Hund, der die Katze beißt. Folklore nicht wie ein einebnender melting pot, sondern als Patchwork: Weil jede Welle von Immigranten neue Musik nach Israel bringt, hört man russische Balalaikas, jemenitische Flöten oder marokkanische Gesänge – in ihrer Stimme; die Alberstein wickelt sie alle um den Finger.

Als dann die Klezmatics noch dazukamen, herrschte völlige Verzückung. Wo sind wir? Da ist eine Geige, die kommt aus dem Schtetl; aber da ist ein Trompeter, der hat sein Ohr in New Orleans, und der da hinten, der Schlagzeuger, der war ganz sicher unlängst in Brasilien. Ist der Klarinettist ein heimlicher Muslim? Der Mann am Akkordeon steht mit einem Fuß in Bialystok, mit dem anderen im Paris der 40er Jahre; aber singen tut er wie auf einem Marktplatz in Czestochowa vor dem Krieg.

Natürlich zähmt die Alberstein diese Diaspora-Eskapisten – nie waren sie so sehr Klezmorim, so traditionell jiddisch wie heute abend – aber sie lassen es kichernd, geehrt und charmiert nur zu gern mit sich geschehen. Die fünf Burschen und ihre Geigerin entstammen der subterranen Musikantenszene um die „Knitting-Factory“, einem baufälligen Keller auf der East Hou- ston Street, in dem alles angefangen hat, was in der Downtown- Szene Rang und Namen hat: John Zorn, The Ordinaires oder Schmollschnute John Lurie mußten hier bestehen, bevor sie sich ans Tageslicht der Second Avenue trauen konnten.

Als die Klezmatics im September in München auf dem legendären Musikfestival auftraten, wurden sie gefragt, warum das, was sie machen, „Radical Jewish Culture“ ist. Der Gitarrist Michael Dorf zischte: „Weil wir nicht glauben, daß die fuckers von New Kids on the Block was von Rock 'n' Roll verstehen. Warum soll ein Jude nicht auch ein sexy Pop-Ikon sein? Niemand weiß, daß Lou Reed Jude ist, einfach weil seine Musik und sein Image nicht zu dem Bild vom depressiven, gedrückten Schlemihl paßt, das die Leute gängigerweise vom Juden haben.“

Das Publikum im Hebbel-Theater war's zufrieden und trat in die Nacht mit einem Jubeln im Hals. Mariam Niroumand