: Den Pyrethroiden auf der Spur
■ Am Grindel: Vor der Entgiftung kommt die Kripo mit dem Staubsauger / Beweissicherung wie bei der Drogenfahndung
: Vor der Entgiftung kommt die Kripo mit dem Staubsauger / Beweissicherung wie bei der Drogenfahndung
„Guten Tag ich komme von der Polizei und wollte gern bei ihnen saugen“. Bewohner des Grindelhochhauses in der Oberstraße 14 bekamen am Dienstag Besuch vom kriminaltechnischen Untersuchungsdienst der Polizei. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft sicherte der Beamte Steffen Hahn Beweismittel in den Wohnungen, wo die Firma Rentokil Insektengifte versprüht hat. Die Staatsanwaltschaft wollte die möglicherweise mit Pyrethroiden belasteten Staubproben sicherstellen, bevor die Firma ihre für Freitag angekündigte Entgiftung beginnt und damit auch die Spuren ihrer jahrelangen Sprühaktionen gegen Schaben verwischt.
Mehrere Mieter haben Strafanträge gegen die Kammerjägerfirma Rentokil gestellt, die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung.
Für die kurzfristig angesetzte Beweissicherung hat Leo Arbeiter von der Mieterinitiative der Oberstraße 14 die Schlüssel von 18 Wohnungen eingesammelt. „Als sich am Montag rumsprach, daß die Staatsanwaltschaft Pyrethroide sozusagen frei Haus messen will, stand bei mir das Telefon bis Mitternacht nicht mehr still, und heute morgen um sechs riefen schon wieder die ersten an, die auf jeden Fall wollten, daß in ihrer Wohnung auch gemessen wird“, erzählt der Österreicher, der in Hamburg studiert.
Der Polizeibeamte saugt derweil in einem der Einzimmerappartements mit dem Industriestaubsauger gründlich den Flokati-Teppich, die Bettdecke und alle Winkel ab. Die Beweissicherung mit dem Staubsauger sei selbst in seiner auf Umweltstrafsachen spezialisierten Abteilung eher ungewöhnlich, so Hahn: „Sonst machen wir das so nur bei der Drogenfahndung“. Die Filter mit dem Staub aus den verschiedenen Wohnungen packt er in Plastikdosen: „Darin sind sie konserviert und stehen dann im Falle eines Strafverfahrens als Beweismittel zur Verfügung“.
Gemessen wird allerdings erstmal nicht, sehr zur Enttäuschung der Mieterinitiative. Die Mieter hätten lieber auf der Stelle Klarheit darüber, wie belastet ihre Wohnungen sind, weiß Leo Arbeiter.
Auffällig auch ohne Messung ist der katastrophale Zustand des Treppenhauses, die Deckenverkleidung ist an einigen Stellen abgeris-
1sen und gibt den Blick frei auf geräumige Schlupfwinkel für Kakerlaken.
Auch in Göttingen ermittelt der Staatsanwalt gegen die Firma Ren-
1tokil. Dort hat der Pyrethroid-Experte Professor Helmut Müller- Mohnssen Strafanzeige gegen die Schädlingsbekämpfer gestellt, nachdem in einem von Rentokil be-
1sprühten Appartement fast 1000 Milligramm des Pyrethroids Cypermethrin in einem Kilogramm Hausstaub gemessen wurden.
Vera Stadie
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