Sanssouci: Vorschlag I
■ Universal Congress Of im Huxley's Jr.
Vor einigen Jahren meinte der deutsche Poptheoretiker und Kritikerpapst Diedrich Diedrichsen, den Universal Congress Of zu der Band erklären zu müssen, die die gesamte Musik, so wie wir sie kennen, über den Haufen werfen sollte. Die pomusikalische Apokalypse ist zwar ausgeblieben, aber dieses Urteil hängt dem Congress immer noch nach. In der Rückschau reduziert sich die Leistung des Quartetts um den Gitarristen Joe Baiza auf den Trick, Jazzstrukturen mit Rockklängen erweitert zu haben.
Baiza selbst nannte seine Musik „mecolodics“ und wollte damit nicht mehr ausdrücken, als daß er, der gebürtige Mexikaner, eben mexikanische Elemente in seinen Jazz integrierte. Der Tex- Mex oder bestimmte Klänge von Volksmusiken wurden aber nie beherrschend in der Musik des Congress, sie adaptierten sie genauso wie Rockschemata, genauso wie andere vor ihnen Volksmusiken in den Jazz eingebracht hatten.
Die geradezu unglaubliche Wirkung des Universal Congress Of, der es als erste Jazzformation seit Jahrzehnten schaffte, den Zugang zu Fan-Kreisen zu bekommen, die sonst Independent- Rock hörten, war hauptsächlich durch die Tatsache zu erklären, daß ihre Platten anfänglich auf SST erschienen. Und vor allem gerade zu einer Zeit, in der SST den Sprung vom kleinen Label zum Major unter den Indies machte, um anschließend nach gerade noch abgewendeter Pleite wieder in der Versenkung zu verschwinden. Da es in Europa zu der Zeit durchaus Menschen gab, die sich wegen des kulthaften Rufes des Labels nahezu alles reinzogen, was auf SST rauskam, begannen Leute Universal Congress Of zu hören, die vorher keine Jazzplatte mit spitzen Fingern angefaßt hätten. Insofern warf Baiza doch einiges über den Haufen, und Diedrichsens Einschätzung war nicht grundfalsch.
Was jetzt bleibt, ist dieses Image, sind die Verbindungen zum Independent-Underground. Das äußert sich weiter in den Plattenfirmen, die Congress-Platten verlegen, oder in den Clubs. Sie spielen, wenn sie nach Berlin kommen, eben nicht im Quasimodo, sondern im Loft oder diesmal im Huxley's. Was bleibt, ist die Musik, die trotz freejazzender Passagen sehr ruhig und klar ist, in der sich die Hooklines des Saxophons von Steve Moss wunderhübsch mit den kleinen Licks von Joe Baiza ergänzen. Diesen beiden, die den Nukleus des Universal Congress Of darstellen, stehen diesmal Steve Gaeta am Bass und A.P. Gonzales am Schlagzeug zur Seite, die für eine ruhige, sehr entspannende, trotzdem immer tanzbare Unterlage sorgen.
Manchmal spielen sie auch ganz schlicht einen Blues, der ungewohnt fröhlich und beschwingt klingt, mal auch einfach einen Swing. Ab und zu singen Moss oder Baiza sogar, ganz wenig, es sind nur winzige Kommentare, die sie da abgeben. Der Universal Congress Of wird nicht das Universum aus den Angeln heben, aber er verbindet zwei Welten, die sonst nicht viel miteinander anfangen können. Und das tut er gut. Thomas Winkler
Heute um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108–114, Kreuzberg
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