: Vor zwei Jahren verpflichtete sich die Bonner Regierung, den CO2-Ausstoß spürbar zu senken. Doch dem Beschluß sind kaum Taten gefolgt. Und auch auf der heutigen Tagung der Umweltminister in Mainz wird die Forderung nach einer Benzinpreiserhöhung um 50 Pfennig abgelehnt werden. Von Hans-Martin Tillack
Töpfers Treibhaus-Bluff
Sie hat keine Chance, und das weiß sie auch. Wenn die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) heute die Umweltministertagung in Mainz mit der Forderung konfrontiert, den Benzinpreis im nächsten Jahr um 50 Pfennig zu erhöhen, dann mögen ihr Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und die Länderkollegen insgeheim recht geben. Erst unlängst hatte der CDU- Minister erklärt, Benzinpreiserhöhungen um nur 20 bis 25 Pfennig änderten nichts am Verhalten der Autofahrer. Trotzdem kann sich Griefahn – außer von ihrem grünen Amtskollegen Joschka Fischer aus Wiesbaden – keine öffentliche Unterstützung erhoffen.
Fischer und Griefahn, sonst ständig im Clinch mit dem Bundesumweltminister, gehören zu den letzten im Land, die dessen Ziele noch ernst nehmen. Vor zwei Jahren, am 7. November 1990, hatte Töpfer einen Kabinettsbeschluß durchgesetzt, in dem sich die Bundesregierung verpflichtete, bis zum Jahr 2005 die gesamtdeutschen Emissionen des Treibhausgases CO2 um 25 bis 30 Prozent zu vermindern, verglichen mit den 1.067 Millionen Tonnen des Jahres 1987. „Ein wichtiger Schritt“, meinen sogar die Grünen.
Aber auch sie warten bis heute vergeblich auf seine Umsetzung. „Seit dem Beschluß ist durchaus etwas passiert“, lästert der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Müller: „Die DDR- Wirtschaft ist zusammengebrochen.“ Die Folge dieses nicht in Töpfers Maßnahmeplan vorgesehenen Ereignisses: Der Kohlendioxid-Ausstoß sank landesweit um etwa zehn Prozent. Gleichzeitig ist eine andere, ebenfalls von der Vereinigung beflügelte Entwicklung auf dem Weg, den Erfolg wieder zunichte zu machen. Ändert sich nichts Wesentliches an der Verkehrspolitik, wird der Autoverkehr im Jahr 2005 knapp 40 Prozent mehr Kohlendioxid ausstoßen als heute – so prognostizieren es verschiedene Institute in Gutachten für die Bundesregierung.
Töpfer meint, das sei „nicht hinnehmbar“, aber er tut nichts. Ein Tempolimit – laut Umweltbundesamt die „einfachste Maßnahme“, um den CO2-Ausstoß zu verringern – lehnt Verkehrsminister Krause ab. Eine höhere Mineralölsteuer? Töpfer kündigt sie immer mal wieder an, um dann den Kopf unter dem Druck seiner Kabinettskollegen und mit dem Verweis auf Abstimmungsbedarf in der EG wieder einzuziehen. Der Widerstand der anderen Ministerien werde angesichts der drohenden Konjunkturflaute größer, heißt es im Umweltministerium: „Uns bläst im Augenblick der Wind ziemlich ins Gesicht“.
Dieser Augenblick dauert schon recht lange. Fast nichts von dem, was die Bundesregierung in ihrem Klimabeschluß vor zwei Jahren als vordringliche Schritte benannte, ist bisher umgesetzt. Zum Beispiel die Wärmenutzungs- Verordnung, die Industriebetriebe verpflichten soll, ihre Abwärme nicht ungenutzt in die Luft zu blasen: Seit 1985 verlangt das Bundesimmissionsschutzgesetz vom Gesetzgeber, diese Verordnung vorzulegen. Ein Drittel des angestrebten Sparpotentials, 100 Millionen Tonnen CO2 jährlich, könnten damit vermieden werden, rechnet die SPD-Abgeordnete Monika Ganseforth vor. Doch alles, was die Bundesregierung bisher vorweisen kann, ist ein interner Vorentwurf des Umweltministeriums, der jetzt zwischen den Ressorts, so Ganseforth, „zerredet wird“.
Obwohl das Umweltbundesamt der geplanten Verordnung eine gute Industrieverträglichkeit attestierte, meldet vor allem die Behörde von Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) Bedenken an. Die Wärmenutzungs-Verordnung sei „eine der sensibelsten und nicht ganz unumstrittenen Bereiche“, warnt man im Hause des Wirtschaftsministers.
Oder die geplante Markteinführungshilfe für erneuerbare Energien: „So rasch wie möglich“ müsse man ihnen den Markteintritt „erschließen“, das beschloß das Kabinett vor zwei Jahren. Doch ein bereits fest versprochenes Programm über 150 Millionen Mark wurde von Möllemann im Sommer kassiert. Finanzminister Theo Waigel verweigerte die Mittel. Möllemann selbst sah keine Möglichkeiten, zugunsten der Zukunftsenergien im eigenen Milliardenetat umzuschichten. Die Mittel seien nun mal für Airbus und Kohle gebunden, heißt es bedauernd.
Die Einschätzung, daß nichts passiere, sei trotzdem „ausgesprochen falsch“, versichert der CDU- Klimaexperte Klaus Lippold, Vorsitzender der Enquete-Kommission zum Klimaschutz. Zum Beweis nennt er er die Wärmeschutz- Verordnung, die noch im Dezember vom Kabinett beschlossen werden soll. Sie wird für Neubauten eine bessere Wärmedämmung und einen niedrigeren Energieverbrauch vorschreiben. Tatsächlich, so klagt die SPD, seien die in der Verordnung gesetzten Standards alte Hüte: Schweden habe dieses Niveau schon 1980 erreicht. Auch im Umweltministerium betrachtet man diese Verordnung als „Nebenkriegsschauplatz“. Schon die geltende Verordnung von 1982 werde von den Bundesländern aus Personalmangel kaum kontrolliert. Studien hätten nachgewiesen, so heißt es, daß nur gut ein Viertel aller Neubauten die geltenden Standards erfüllen.
Die Opposition bemängelt an der Wärmeschutzverordnung jedoch einen weiteren, gravierenderen Punkt: Die Altbauten werden ausgespart. Noch vor zwei Jahren hatte die Bundesregierung gefordert, „insbesondere die Einsparpotentiale im Gebäudebestand“ zu erschließen, da sie mit jährlich 65 Millionen Tonnen CO2 als besonders hoch gelten. Wegen der hohen Sanierungskosten wäre das nur möglich, hält das Wirtschaftsministerium heute dagegen, wenn den Eigentümern finanzielle Vorteile gewährt würden.
An ein solches Förderprogramm des Bundes, auf das Lippold inständig hofft, ist zur Zeit dennoch nicht zu denken. Tatsächlich marschiert die Bundesregierung seit Ende 1990 konsequent rückwärts. Förderinstrumente für erneuerbare Energien und Energiesparen liefen Ende 1991 aus, ohne daß die Bundesregierung für gleichwertigen Ersatz sorgte. Das Finanzministerium lasse neue Förderungen nicht zu, bedauert man im Wirtschaftsministerium. Erst wenn die EG ihre angekündigte CO2-Abgabe einführe, sei an neue Programme zu denken.
Damit, das wissen auch die Möllemann-Beamten, verschiebt sie die ganze Sache auf den Sankt- Nimmerleins-Tag. Noch in ihrer Koalitionsvereinbarung im Januar 1991 hatten CDU/CSU und FDP eine nationale CO2-Abgabe vereinbart. Seit einem Jahr hingegen setzt die Bundesregierung auf die Brüsseler Energiesteuer – wohl wissend, daß die Mittelmeerländer sowie Großbritannien und Irland dieses Vorhaben bisher zu verhindern wußten. Südländer und Briten wollen nur mitmachen, wenn auch andere OECD-Staaten wie die USA und Japan sich beteiligen.
So ist es zu erklären, daß die Hoffnungen der europäischen Klimaschützer inzwischen auf einem Amerikaner ruhen: Auf Al Gore, dem als ausgewiesenen Ökologen bekannten Vize von Bill Clinton. Vom Deutschen Naturschutzring über Töpfers Beamten bis hin zu EG-Umweltkommissar Karel van Miert – alle erhoffen sich von Gore, daß er den Knoten durchschlägt und der Klimasteuer zum Sieg verhilft.
Dagmar Roth-Behrendt, die umweltpolitische Sprecherin der Sozialisten im Europaparlament, warnt jedoch vor solchen Illusionen. Clinton und Gore könnten sich große Umweltprogramme in ihren ersten zwölf Monaten kaum leisten, glaubt die Sozialdemokratin. Vorrang für die neue Regierung werde die Förderung der US- Wirtschaft haben. Roth-Behrendt: „Wir dürfen nicht auf außereuropäische Staaten warten.“
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