Fußball, männlich besetzt

 ■ Sportworkshop im Rahmen der 3. Bundespositivenversammlung

Die Hausmeisterin mit dem Turnhallenschlüssel im Bett, der Cassettenrecorder überfordert, ein Teilnehmer in Cowboystiefeln statt Turnschuhen. Trotzdem - es ging lustig und liebevoll zu beim Sportworkshop im Rahmen der 3. Bundespositivenversammlung. Die fand vorletzte Woche in Hamburg-Horn statt.

Angeleitet von drei SportwissenschaftlerInnen purzelten neun Männer und eine Frau durch die Halle, wenn im Akrobatikteil die Menschenpyramide nach wenigen Sekunden wieder zusammenfiel. Beim Programmpunkt Fußball pumpte die einzige Frau per Fahrradpumpe bereits den Ball auf, während die schwulen Männer noch darüber diskutierten, ob dieser Sport nicht zu männlich besetzt sei. Bei allen Sportangeboten für Menschen mit HIV und AIDS steht das „Erleben“ des Körpers, der Spaß und das Gruppengefühl im Vordergrund. Das heißt nicht, daß die Übungen nicht mit Bedacht ausgesucht werden. So sind Bewegungsangebote, die Wahrnehmungen durch Körperkontakt fördern, nicht nur spaßig. HIV-Infizierte stehen ihrem eigenen kranken Körper häufig mit Ablehnung, Unsicherheit und Angst gegenüber. Das äußert sich dann in der Vermeidung von alltäglichen Körperkontakten wie Umarmung und Händeschütteln.

Wie nah Spaß und Nachdenklichkeit zusammenlagen, machte auch das im Anschluß an den Workshop stattfindende „Trauerforum für die Verstorbenen“ deutlich. Neben großem „Familientreff“ war die Versammlung „für Leute mit HIV und AIDS“ auch Forum zur Thematisierung fast aller Facetten der Krankheit. „Den Austausch darüber auch innerhalb der Sportwissenschaft zu fördern,“ hält Christina Gottschall, eine der KursleiterInnen, dann auch für vordringliches Ziel weiterer Sportkurse. Die erfordern eine erhöhte Sensibilität in der Übungsauswahl. So sind Spiele wie Völkerball, ein Spiel, indem sich durch Abwerfen anderer Mitspieler neues Leben erkämpft wird, problematisch. Wenn ein solches Spiel gewünscht wird, muß der ursprüngliche Sinn des Spieles thematisiert werden. Sonst kann das Thema Tod, wen erwischt es, zur subtilen Belastung der TeilnehmerInnen führen. Je nach Stadium der Krankheit sind die NutzerInnen der Kurse unterschiedlich belastbar. Holger Hanck, sozialpädagogischer Betreuer der behördlichen AIDS-Beratungsstelle, betont die Individualität der Kurse. „Die Anforderungen richten sich nach

1den koordinativen und konditionellen Möglichkeiten jeder einzelnen.“ Offensichtlich ein erfolgreiches Konzept. Tore, Teilnehmer eines HIV-Sportkurses '91, klingt ganz begeistert. „Das ist eben dat Schöne. Wenn Übungen schwierig sind, kann man sich zurückziehen und keiner pöbelt.“ Wurde das Pilotprojekt '91 noch von der staatlichen AIDS-Beratungsstelle finanziert, ist eine Teilnahme am neuen

1Kurs mittlerweile auf ärztliche Verschreibung, per Rezept, möglich. Die Krankenkassen erkennen HIV- Sport als Rehabilitation und Präventivmaßnahme an.

Wer am neuen Kurs teilnehmen will, muß sich beeilen. Er läuft bereits seit vergangenen Montag.

Anmeldungen bei der behördlichen AIDS-Beratungsstelle unter 2488 - 3441/ 3443.

Martin Busche