: Sektiererisches Verhältnis-betr.: "Medienschelte" von Hans-Hermann Kotte, taz om 11.11.92
betr.: „Medienschelte“ von Hans-Hermann Kotte,
taz vom 11.11.92
Hans H.Kotte hat ja soo recht: Ständig das Gemecker gegen das Fernsehen! Das Fernsehvolk („Wir sind das Volk“) will doch überhaupt nichts sehen von 350.000 linken, noch dazu friedlichen, gewaltlosen, also langweiligen Spinnern und ihren Anliegen. Es will Action sehen, das ist es so gewohnt. Möglichst keine „Alltäglichkeit“ (Kotte) wie Eierwürfe; ein paar Verletzte hätten's doch mindestens sein können. Ein bißchen Werbung für Tampons und Kaffee (mit der schönen braunen Farbe) dazwischen wäre allerdings für die Entspannung ganz gut gewesen. Dennoch, die Berichterstattung hätte kaum besser allen Bedürfnissen entsprechen können: schätzungsweise 90 Prozent Gewalttätigkeit, fünf Prozent herzige Kinder und Hunde, fünf Prozent Redefetzen und ein paar Schwenks in die Demonstranten. Gleichzeitig wurde dem Gerede, daß Minderheiten in den Medien zu kurz kommen, endlich eine entschiedene Abfuhr erteilt.
„Störer gehören einfach dazu“, das habe ich aus dem Kommentar gelernt. Das „liegt in der Logik des Mediums und des Nachrichtenwesens“ (und somit übrigens auch der der taz). Und: Man muß „dankbar“ für das sein, was geschehen ist. Ach ja, die Logik! Wenn Neonazis demnächst lautstarker oder zahlreicher sein werden als „autonome“ Eierwerfer, werden wir mit Hans-H.Kotte „dankbar“ sein, daß die inszenierten Demos der Parteipolitiker ein bißchen aufgepeppt werden, zumal den (noch) zahlenmäßig unterlegenen Neonazis „gar nichts anderes als medienwirksames Handeln übriggeblieben“ sein wird.
Landowsky&Co. haben ein gestörtes Verhältnis zur Informationsfreiheit – okay, das wissen wir seit geraumer Zeit. Könnte es nicht aber auch sein, daß Kotte&Co. ein sektiererisches Verhältnis zu derselben haben? Detlef Lorenz, Berlin 37
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