Demo am 8. November in Berlin

Dreihundert von dreihunderttausend,

die randalierten. Na und?

Wedelt der Hund mit dem

Schwanz,

oder wedelt der Schwanz mit dem

Hund?

Wolfgang Teichmann, Ostberlin

Herzlichen Glückwunsch,

allen Autonomen, Spontanaktivisten, Stadtindianern für Eure wirklich gelungene Aktion. Wir danken für Eure Mithilfe gegen das verhaßte System...

Eure vereinigte Rechte nebst allen unorganisierten Rassisten, CSUlern, Schönhubern, Biedermännern und sonstigen Brandstiftern

Äh, wessen Veranstaltung war das eigentlich? Lutz Braunroth, Göttingen

[...] Gerade diejenigen, die andere nicht einmal zu Wort kommen lassen und deren Politik „Gewalt“ heißt, sind verantwortlich für die Rufe nach einer Verschärfung der Strafgesetze und an einer möglichen Änderung des Grundgesetzes. Sie werden damit keinen Ausländer vor rechtsradikalen Angriffen schützen; sie werden damit keinen Politiker aus dem Amt treiben; sie zeigen damit nicht die Absurdität der rechten Ideologie – sie ziehen die Menschlichkeit ins Lächerliche!

In ein paar Jahren wird kein Hahn danach krähen, ob sich diese Leute „links“ oder „rechts“ genannt haben. Es ist das Ziel linker Politik – gerade im Gegensatz zu den Rechten –, ein friedliches Zusammenleben aller Menschen zu ermöglichen. Das muß endlich begriffen werden! Achim Hackethal, Berlin

Liebe Berliner Autonome, Ihr seid offensichtlich zu dumm, um die Folgen Eurer Aktionen zu begreifen. Oder seid Ihr so mediengeil, daß Ihr lieber Euch selbst als rechtsradikale Schweinereien in der Glotze seht? Eberhard Efinger, München

Selten wohl sind die Menschen mit soviel Selbsttäuschung zu einer Demo gegangen. Denn, daß wir weiter zu den reichen Ländern gehören sollen, daran gab es auch bei der Demo wenig Zweifel, obwohl hier die Ursachen des Flüchtlingselends liegen. Denn wenn wir die Schätze und Energien der Erde verpulvern, den Giftmüll dieser Maßlosigkeit in den armen Ländern abladen, in der EG Milliarden für Lebensmittelvernichtung ausgeben und Nutznießer einer Weltordnung sind, bei der jeden Tag 100.000 Menschen verhungern, so kommen die Hungernden zu uns. Um dann als Wirtschaftsflüchtlinge diffamiert und abgewiesen zu werden. Und diese Unmenschlichkeit läuft dann unter dem Demo- Motto: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Und wenn dann einige junge Menschen in ihrer Wut, Verzweiflung und Verwirrung über unsere Heuchelei Steine und Eier schmeißen, dann haben wir die „Schuldigen“. Denn, wir wollen ja nicht das Elend der Welt – aber unseren Besitzstand, den wollen wir wahren, obwohl wir genau wissen, daß beides zusammen nicht geht. Und im Zweifelsfall ist uns das Elend der Welt und der Weltuntergang für unsere Enkel in 50 Jahren immer noch lieber, als heute radikal anders zu leben und zu handeln. Ludwig Baumann, Zweiter

Weltkriegsdeserteur, Bremen

[...] Es ist wieder einmal unübersehbar, wie Polizei, Verfassungsschutz und auch die Medien „Krawalle“ in Szene setzen, um der Politik die Legitimation für neue oder schärfere Gesetze zu bieten. Schon schreit Kanzleramtsminister Bohl nach eben diesen.

Natürlich ging es in Berlin gegen Gewalt, aber daß genau die Heuchler auf der Rednerbühne, durch ihre Politik die Gewalt gegen Ausländer schüren, darüber wird hinweggesehen. Kaum regen sich die linken „Extremisten“, bewegen sich die dritten Zähne in Bonn oder anderswo. Doch – die Gefahr kommt von rechts, Ihr Einäugigen! Gero Bengel, Plön

[...]Die Eier flogen nicht gegen die Person Richard von Weizsäckers, sondern gegen eine „aufrechte Demokratie“, in der Grundrechte zur Disposition stehen; gegen politisch Verantwortliche, die Grundrechte wegen des Drucks der Straße preisgeben; gegen leere Worte, die das Ausland beruhigen sollen, aber nicht die eigenen Herzen.

Damit rechtfertige ich nicht die Eierschmeißer. Ja, Herr Bubis, ich schäme mich, daß die Linke in der Demokratie nicht besser geübt ist als andere. Ich verurteile diese undemokratische Aktion. Aber ich schäme mich auch für unsere Politiker, die uns kein gutes demokratisches Beispiel geben. Michael Seim,

Theologiestudent, Berlin

[...] Der blauäugige Wiedervereinigungstaumel weicht endlich dem Erkennen des Wesens dieser Gesellschaft, die sich nur immer an Phänomenen, an Äußerlichem stört, ihr Wesen aber nicht erkennt (erkennen will!?). Wie leicht ist's doch, gegen den rechten Mob einen GG-Artikel feierlich zu deklamieren als vielmehr die Alltagsprobleme, die Wurzel jeder gesellschaftlichen Radikalität, anzupacken. Michael Müthe, Berlin

betr.: „Der Traum ist aus, und die Scherben?“, taz vom 9.11.92

Ich sehe gewiß wenig Sinn darin, mit Eier-, Tomaten-, oder Steinwürfen meinen Eindrücken Ausdruck zu verleihen. Dennoch sind mir diese Leute, die „das primitive Geschäft von Provokateuren betreiben“, weitaus lieber als die Masse, die die Heuchelei der Politiker schweigsam duldet oder mit Applaus gar unterstützt. [...]

Und wenn nun die Rufe nach härterem Durchgreifen gegen die Eierwerfer laut werden, so offenbart das die Doppelmoral der Politiker nur allzu deutlich. Denn eben diejenigen, die ihren Unmut, manchmal durch Eierwerfen, ausdrücken, halten letzt endlich vor den Asylbewerberheimen ihren Kopf hin, wenn die Rechtsradikalen anrücken und Politiker, Bürger und Polizisten zuschauen. Joachim Schulte, Senden

[...] Farbbeutel, Eier, faules Gemüse und Steine, ja Steine... und das gegen die hehren Worte des Bundespräsidenten! Sicher eine infantile Form der Auseinandersetzung. Aber ich frage: Haben sogenannte „extreme Linke“ jemals Asylanten und Ausländer angegriffen? Haben sie jemals Molis ins Zimmer schlafender Kinder geworfen? Haben sie etwa einen Farbigen aus „Jux und Dollerei“ zu Tode getrampelt, jüdische Gedenkstätten zerstört, „Vietnamesen gebraten“, Behinderte überfallen?

Ist es nicht lächerlich, angesichts dieser Gewalt die der Farbtüten und fliegenden Eier ins Feld zu führen als eine Bedrohung der Demokratie? Die Worte des Bundespräsidenten in Ehren. Aber was soll diese schöne Melodie im Hinblick auf die unschöne Praxis? [...] Dr.Karin Bechtle-Künemund, Leiferde

[...] Ist es nicht erschreckend, daß in einem Atemzug Gewalt von links – in Form von Eierwerfen – und Gewalt von rechts – in Form von Anschlägen auf Menschen und Asylantenheime – dargestellt wird? Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß es hier nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung zu rassistischen Übergriffen geht, sondern um eine bloße Darstellung des vermeintlich „Schönen Deutschlands“. Studentischer Arbeitsbreich des Psychologischen Institutes der Freien Universität, Berlin

[...] Die Demo sollte ein Zeichen setzen gegen den Rechtsradikalismus, einen Rechtsradikalismus im vereinigten Deutschland, der sich in Morden, Brandanschlägen, Antisemitismus und und und manifestiert. Diese Zeichensetzung von über 350.000 Menschen wurde nun von über 305 „empfindlich“ gestört. Die Folge: mordende Rechte und störende Linke werden von Politikern und in den Medien hemmungslos in einem Atemzug genannt – das zeugt von extremistischer politischer Dummheit, die eine größere Gefahr für die Demokratie sein kann als eine Trillerpfeife.

Nach der Ankündigung Vertreter autonomer Gruppen (taz vom 7.11.) wollten sie den Politikern den Spiegel vorhalten, sie wollten, wenn sie es schaffen, die Politiker in echte Spiegel blicken lassen. Und sie haben es geschafft. Susanne Gross, Berlin

betr.: „Autonome freuen sich über ihren Erfolg“, taz vom 10.11.92

[...] Ich muß sagen, ich habe die Schnauze gestrichen voll. Ich lasse mir von niemandem – von CSU- Politikern nicht und auch nicht von sogenannten Autonomen – vorschreiben, für was, gegen was, mit wem und in welcher Form ich demonstriere. Ich bin selbst in der Lage, dies zu entscheiden und kann auf die falsche Schützenhilfe artikulationsunfähiger Pseudo- Linker gut verzichten. [...] Thomas Gruner, Berlin