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Seit dem Spätsommer werden Attentate auf Touristen in Ägypten verübt. Zu den Anschlägen bekennt sich die „Gamaat“, eine militante islamische Gruppe. Ihre Aktionen werden im Land heftig kritisiert. Die Tourismus-Einnahmen gehen zurück, deutsche Veranstalter bleiben gelassen. Aus Kairo Karim El-Gawhary

Ferien unter Polizeischutz

Möget ihr, so Gott will, in Sicherheit und Frieden euren Einzug nach Ägypten halten.“ Der Vers aus der 12. Koransure ist Hagg Sadas Antwort auf die Serie von Anschlägen. Seit mehr als 30 Jahren wacht der alte Hagg Sada nun schon über die Pyramiden und deren ausländische Besucher. Er ist tief religiös. Diejenigen, die im Namen des Islam Touristen umbringen, seien mit dem Teufel im Bunde, sagt er. „Wenn einer mein Haus besucht, dann muß ich ihn gut behandeln“, das sei es, was seiner Meinung nach der Islam lehrt.

Mindestens ein halbes Dutzend Attentate auf Touristen fanden seit dem Spätsommer in Ägypten statt. Am 21. letzten Monats kam eine britische Touristin bei einem Angriff auf einen Touristenbus 250 Kilometer südlich von Kairo ums Leben. Die Stadt war in den letzten Monaten durch anhaltende Auseinandersetzungen zwischen islamistischen Gruppen, den sogenannten „Gamaat al-islamiya“, Kopten und Sicherheitskräften in die Schlagzeilen geraten. Seitdem warnen die britische und die US- Botschaft davor, die Dörfer in der südägyptischen Provinz Assiut zu besuchen. Gerade als der Minister für Tourismus Fuad Sultan wenige Tage später dabei war, die ausländischen Gemüter zu beruhigen, verletzte in der Hafenstadt Port Said ein von der ägyptischen Regierung als „messerschwingender Extremist“ bezeichneter Mann drei russische Besucher. Später schrieb die ägyptische Presse, daß es sich nicht um ein Attentat, sondern um einen Streit wegen Geld gehandelt habe. Den vorläufigen Endpunkt setzte ein Angriff auf einen Bus mit deutschen Urlaubern vor einer Woche, bei dem sechs Insassen verletzt wurden. Gegen die Korruption und Unmoral, die mit dem Tourismus einhergehe, wolle man ein Zeichen setzen, war die Begründung einer Minderheit unter den militanten Islamisten, die sich zu dem Attentat auf den Bus bekannten.

„Bye-bye, Ägypten“, heißt es im Fax einer New Yorker Reiseagentur an das ägyptische „Blue Sky Travel“-Büro, das Bustouren und Nilkreuzfahrten organisiert. 40 Prozent unserer Fahrten wurden storniert, erklärt Hossam Salama Gouda, der Verkaufsmanager des Unternehmens. Dabei sah es noch vor wenigen Monaten besser denn je aus. Nach einem Mammutkongreß US-amerikanischer Reiseunternehmen in Kairo herrschte Hochstimmung. Von einem erwarteten 25prozentigen Anstieg von Ägyptenreisenden war die Rede. Für die Hotelbuchungen um Weihnachten gab es bereits Wartelisten.

Sollte es noch einen Anschlag geben, dann ist es vorläufig vorbei mit dem Tourismus in Ägypten, darüber sind sich alle im Büro einig. Die Regierung müsse „mit harter Hand gegen die Terroristen vorgehen“, fordern viele. „Einfach alle Islamisten einsperren, wie zur Zeit Gamal Abdel Nassers“, verlangt ein Mitarbeiter des Reisebüros. Eine Gruppe von Taxifahrern, die vor einem großen Hotel in Kairo auf ausländische Kunden wartet, fürchtet ebenfalls um ihr tägliches Brot. Sie erinnern sich noch zu gut an die Monate des Golfkrieges, als sich überhaupt kein Tourist mehr blicken ließ und ihr Einkommen gegen null sank. „Man sollte einfach ein paar von ihnen hier vor dem Hotel aufhängen, als abschreckendes Beispiel und damit die Touristen sehen, daß wir es ernst meinen“, sagt einer von ihnen. Die Regierung reagierte nervös und sehr demonstrativ auf das letzte Attentat.Kurzerhand wurden 350 Menschen aus den benachbarten Dörfern um den letzten Tatort festgenommen. Seit Tagen durchkämmen Soldaten die Felder in der Umgebung des Tatorts. Nach dem Tod der britischen Touristin wurde über die Kleinstadt Dairut sogar eine Ausgangssperre verhängt. Die Touristen stehen fortan unter besonderer Polizeiobhut. Doch absoluten Schutz wird es für die 500 Hotels, 7.000 Busse und 200 Nilkreuzschiffe in Ägypten nicht geben können.

Erfolgversprechender ist eine andere Entwicklung. „Das Besondere der letzten Tage ist, daß es nun das Volk ist, das die Touristenschützen jagt“, sagt Nabil Ghise, der Besitzer eines Straßencafés im Kairoer Touristen-Bazar Khan Al- Khalili. Es sei ein unbewaffneter Verkehrspolizist gewesen, der unmittelbar nach der letzten Tat einen der vermutlichen 18jährigen Schützen festgenommen habe. In der Tat stoßen die Angriffe unter den Ägyptern auf eine breite Ablehnungsfront. Die meisten rechnen mit keinem weiteren Attentat, da es nun das „Volk“ sei, das die Sache in die Hand genommen hat. Die meisten fürchten um die wichtigste Einnahmequelle ihres Standes. Immerhin vier Milliarden Dollar brachten die Touristen dieses Jahr ins Land. Und anders als die Suezkanalgebühren oder der Erdölexport, würde dieses Geld auch zum Teil direkt in die Taschen des Volkes fließen, erklärt einer der Taxifahrer. 125 Dollar gibt jeder Urlauber im Durchschnitt täglich aus. Das entspricht etwa dem Vierfachen des Monatsgehalts eines ägyptischen Lehrers.

Daß viele Touristen nun die Feiertage lieber unter dem heimatlichen Weihnachtsbaum verbringen wollen, stößt bei den meisten Ägyptern auf Unverständnis. „Bei denen kann man nachts offenbar nicht mehr auf die Straße gehen, ohne um sein Leben zu fürchten und in jedem Film von ihnen sterben mehr Leute als in Ägypten aufgrund von Kriminalität im ganzen Jahr“, sagt eine Frau im Tourismus-Info-Büro, wenige hundert Meter von den Pyramiden entfernt. Hossam Gouda aus dem Reisebüro fährt öfters geschäftlich nach Deutschland. Für die Stornierung macht er vor allem die deutsche Presse verantwortlich, die das Ganze so hochgespielt habe und alles in einen Topf werfe. „Muslime bringen Touristen um“, heiße es dort. Das sei, wie wenn die ägyptische Presse alle Deutschen als ausländermeuchelnde Nazis bezeichnen würde. In Deutschland würden schließlich bei weitem mehr Ausländer umgebracht als hier, argumentiert er. Und: „Wenn mich dort ein Nazi mit dem Messer bedroht, dann hilft mir niemand. Hier würde mir als Ausländer die ganze Straße zu Hilfe eilen.“

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