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Zinsabschlagsteuer trifft jeden

■ Besonders Kleinsparer und Rentner wissen nicht, daß sie ihr Geld retten müssen

Ich fall da eh nicht drunter“, sagt Friedel M. „Das trifft doch nur die Reichen.“ Friedel M. hat nur ein kleines Sparbuch und kümmert sich um die vielen Anzeigen und Artikel wenig, mit denen die Banken und Sparkassen seit Wochen um Freistellungsaufträge werben. Doch spätestens, wenn Friedel M. ihre Zinsen für 1993 eintragen läßt, wird sie merken, daß gerade sie betroffen ist: Dann hat die Bank nämlich 30 ihrer 100 Mark Zinsen bereits automatisch an den Fiskus abgeführt.

Denn ab Januar kassiert der Staat 30 Prozent Steuern von allen Erträgen aus Kapitalvermögen, und das heißt von Konten, Sparbüchern, Sparverträgen, Bausparverträgen, Bundeswertpapieren, Anleihen usw. Selbst Girokonten, sofern sie (wie bei der Verbraucherbank) mit mehr als einem Prozent verzinst werden, sind betroffen. Auch Dividenden und Belegschaftsaktien werden versteuert. Der Kunde bekommt bei Fällig

sparkasse

Foto: Wolfram Steinberg

keit nur die gekürzten Zinsen überwiesen, das Geld ist erst einmal weg.

Dabei ist es nur eine Formsache, bei der Bank die Freistellung von dieser Besteuerung zu beantragen: Für Alleinstehende sind 6.100 Mark, für Verheiratete 12.200 Mark Zinsen steuerfrei. Kompliziert wird es nur, wenn jemand mehrere Konten bei mehreren Banken hat. Dann muß jedes seiner Kreditinstitute einen Freistellungsauftrag erhalten — je nach Höhe der zu erwartenden Zinsen. Dies läßt sich auch problemlos über eine der beteiligten Banken abwickeln — dann wird diese die Zinsen ausrechnen und entsprechend hohe Freistellungen bei den anderen Banken des Kunden beantragen. Die Summe der verschiedenen Anträge darf den Freibetrag jedoch nicht übersteigen. Dies wird vom Bundesamt für Finanzen kontrolliert.

Denn mit Inkrafttreten des Zinsabschlaggesetzes müssen die Banken die Freistellungsgrenzen jedes Kunden (nicht das zugrundeliegende Vermögen, dies unterliegt dem Bankgeheimnis) jährlich an das Bundesamt melden. Hätte Friedel M. Sparbücher und —verträge bei vier Banken und bei jeder Bank einen Freistellungsauf

trag für den Höchstbetrag von 6.100 Mark beantragt, dann würde das Bundesamt für Finanzen das zuständige Finanzamt informieren und um Kontrolle bitten. Dann müßten die Finanzbeamten nachforschen, ob der entsprechende Kunde mit mehreren Bescheinigungen sein wahres Vermögen am Fiskus vorbeischummeln wollte oder nur aus Unwissenheit zu hohe Freistellungsgrenzen beantragte.

Werner Kahrs, Steuerexperte in der Bremer Finanzbehörde, sieht eine Menge Arbeit auf die Finanzämter zukommen: „Viele glauben, daß ihre Zinsen unter den Freigrenzen liegen und kümmern sich nicht oder erst viel zu spät um die Freistellung“, so Kahrs. Bei der Sparkasse zum Beispiel hat erst die Hälfte der KundInnen einen Antrag gestellt. Die anderen werden wohl erst nach Ablauf des nächsten Jahres, wenn sie den Steuerabzug auf dem Konto sehen, ihr Geld vermissen und — etwa über den Lohnsteuerjahresausgleich — zurückfordern. Besonders an Rentnern und Kleinsparern scheinen die Informationskampagnen vorbeizugehen.

Längst nicht alle Banken haben ihren KundInnen Informationen und Formblätter nach Hause geschickt. Die Volksbank hat Sonderschalter, die Sparkasse verlängerte Öffnungszeiten eingerichtet. Unter der Telefonnummer 0130-806522 informiert das Sparkassenamt in Hamburg kostenlos über die Zinsabschlagsteuer. Der Personalaufwand bei den Banken ist immens. Einige haben bereits angekündigt, Gebühren erhöhen zu müssen.

Rund 13,5 Milliarden Mark wird der Staatssäckel durch die Zinssteuer einnehmen, davon 5 Milliarden über die Freibeträge aber wieder zurückführen müssen. Rund ein Prozent dieser 8,5 Milliarden, schätzt Werner Kahrs, wird in die Bremer Kasse fließen. Doch verdienen werden vor allem die Banken, da sie die einbehaltene Kapitalertragssteuer gesammelt und zeitversetzt ans Finanzamt weiterleiten.

ra

Die Arbeiterkammer Bremen hält Informationen zur Zinsabschlagsteuer auch in türkischer Sprache bereit.

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