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SPD-Delegierte ratlos nach Asylbeschluß

■ Delegierte mehrheitlich gegen Bundespartei: Welche Konsequenzen für Asyl-Praxis?

Mit „echten Bauchschmerzen“ traten die Bremer Delegierten des SPD-Bundesparteitages in Bonn die Heimreise in die Hansestadt an. Außer dem SPD-Landesvorsitzenden Horst Isola hatten sich die vier BremerInnen bei der Abstimmung gegen den Antrag zur Änderung des Asylgesetzes ausgesprochen. Jetzt herrscht Unsicherheit unter den GenossInnen. Der Grund: Was die Bundes-SPD beschlossen hat, greift erst in einem juristisch einheitlich strukturierten Europa, die Folgen des Beschlusses sind, so paradox es klingt, den Delegierten völlig unklar.

Jens Böhrnsen, SPD-Delegierter des Unterbezirks Nord und von Beruf Verwaltungsrichter, faßt die Katerstimmung der Bremer so zusammen: „Mir fällt eigentlich nicht ein, was sich jetzt ändern kann in der Praxis.“ Der Parteitag habe „ein deutsches Asylrecht gegen ein europäisches Asylrecht eingetauscht, das es noch nicht gibt.“

Die Abweisung von Asylbewerbern aus Drittländern, wie sie der Parteitagsbeschluß vorsieht, funktioniere nur, wenn es Aufnahmequoten für alle europäischen Länder gebe. „Woher nimmt man die Hoffnung, daß das in den nächsten Jahren umgesetzt wird?“ Ihm selbst sei als Verwaltungsrichter, der mit Asylverfahren befaßt ist, klar gewesen, „daß sich von heute auf morgen nichts ändern kann“. Allerdings habe er sich gewünscht, daß der Parteitag sich mehr mit Praxisproblemen, als mit der Beschleunigung von Asylverfahren, beschäftigt hätte. „Die Krise des Asylrechtes ist entstanden durch die lange Dauer der Verfahren, die wir entsprechend effektivieren müssen, um die Krise wieder beizulegen.“

Ähnlich sieht es auch die Bremerhavener Delegierte Brigitte Lückert. „Die haben den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht“, kritisiert sie den Asyl-Beschluß. Sie hat auch Bedenken, wie sich der Parteitagsbeschluß in den Verhandlungen der Bundestagsfraktionen auswirken wird. „Derzeit kann ich mir nicht vorstellen, wie ein Verhandlungsergebnis aussehen könnte“, erklärte sie. Der Vorteil, den die SPD mit ihrem Beschluß habe, sei ein strategischer: „Jetzt muß die CDU sagen, was sie eigentlich will.“

„Was die praktische Umsetzung des Beschlusses angeht, da bin ich als Laie überfragt“, räumt die Delegierte des SPD-Unterbezirks Ost, Christine Wischer, ein. Auch sie sieht, daß die Garantie auf individuelles Asyl, wie sie der Parteitagsbeschluß festgelegt hat, erst in einem europäischen Kontext wirksam wird.

„Dieser Punkt hat uns am meisten Schwierigkeiten gemacht: Mit der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention und der europäischen Menschenrechtskonvention haben wir das Asylrecht eigentlich erweitert. Nur, daß die Voraussetzungen noch nicht gegeben sind, die da angelegt wurden.“ Eine Grundgesetzänderung werde an der Zahl der Asylsuchenden wohl nichts ändern, vermutet Wischer, bestätigt aber auch einen gewissen strategischen Vorteil, den die SPD jetzt in den Verhandlungen mit der CDU-Bundestagsfraktion gewonnen habe. Was aus dem Beschluß letztlich wird, da hat sie „große Sorge“. „Der Druck der CDU, noch weiter nach rechts zu rücken, ist groß. Aber der Parteitag hat deutlich gesagt, wo die Schmerzgrenze in der Asylpolitik liegt. Und ich hoffe, daß der Parteirat, der ein Verhandlungsergebnis möglicherweise korrigieren muß, das auch tut.“

mad

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