Beitrag zur Politikverhinderung-betr.: "Zynische Ratgeber" (Ökolumne), taz vom 14.11.92

betr.: „Zynische Ratgeber“ (Ökolumne), taz vom 14.11.92

Michael Berger hat völlig recht, wenn er das aus unzähligen Öko- Broschürchen und grünen Ratgeber-Kolumnen ausdünstende Hausfrauen- und Biedermännertum für zynisch hält. Es leistet in seinen Appellen an die „Gemeinschaft der Menschen guten Willens“ (aus einer Benimm-Fibel der Fünfziger) einen nicht unerheblichen Beitrag zur Politikverhinderung und läßt ein Phänomen sichtbar werden, das heute in eigentlich allen wichtigen Politikbereichen aufscheint: Ein Problem ist im öffentlichen Bewußtsein verankert, seine Medienpräsenz geradezu erdrückend, und trotzdem findet es nur bescheidenen Niederschlag in der politischen Umsetzung. Trotzdem oder gerade deswegen, denn diese Ökotip-Ideologie korrespondiert sehr gut mit symbolischen Großveranstaltungen in Rio, München oder sonstwo. Beides suggeriert Bewegung in der Sache und läßt die Wirkung eines ja tatsächlich vorhandenen Bewußtseins im Effekt auf Politikvermeidung hinauslaufen.

Das liegt wahrscheinlich weniger an einer raffinierten Verschwörung als an einem Mangel der Fähigkeit, öffentliche Rede und öffentliches Handeln voneinander zu unterscheiden beziehungsweise beides im Zusammenhang zu sehen. Das Problembewußtsein und seine massenmediale Ventilierung ist ausgeprägt, nicht jedoch das Bedürfnis, einer Problemlage mit mehr als Symbolik zu begegnen. Vielleicht könnte man das gesellschaftspolitische Schizophrenie nennen. Ulrich Holberg, Berlin