Nachgetragene Weihe

■ Original und Wiedergutmachung: Beuys-Eiche auf Kampnagel neugepflanzt

auf Kampnagel neugepflanzt

Aus der Etat-Klausur des Senats kam die Kultursenatorin am Samstag nach Kampnagel, um eine Baumpflanzung zu beehren. Die Veranstaltung, ein bißchen Weiheakt und ein bißchen Beerdigung, war der Versuch einer Wiedergutmachung an einer vergessenen Kunst-Geschichte. Im Rahmen der Ausstellung Halle 6 hatte Joseph Beuys 1982 nahe der Kaimauer im „Gartenteil“ des Kampnagel-Geländes eine Eiche gepflanzt. Dies war seine erste Aktion dieser Art, vor dem Großprojekt 7000 Eichen zur dokumenta 7 im gleichen Jahr.

Doch der Baum konnte weder seine symbolische Kraft für eine neue Zukunft entfalten, noch seine schlichte ökologische Existenz behaupten: er wurde schon bald unter ungeklärten Umständen abgesägt und beseitigt. Für die Kultur bedürfe es eben manchmal eines zweiten Anlaufs, meinte die debattengeprüfte Senatorin, und so steht nach zehn Jahren am gleichen Ort wieder eine Eiche: Diesmal handelt es sich um eine etwa sieben Jahre alte „Quercus robur“, verbreitet von Finnland bis Spanien und bis zum Kaspischen Meer – und dennoch immer wieder als deutsche Eiche tituliert.

Bernhard Johannes Blume, Professor an der Hochschule für bildende Künste und schon vor zehn Jahren an der Pflanzaktion beteiligt, grenzte denn auch noch einmal jeden nationalistischen Anspruch an den heiligen Baum der Germanen aus. Schon 1982 hatte Arie Goral den Beuysschen Eichenaktionen deutschtümelnde Tendenzen vorgeworfen. Trotz gerade aktueller kultischer Eichen-Pflanzungen durch Rechtsextremisten sollte sol- che Symbolik nicht einseitig ursu-

1piert werden.

Als pikanter Verweis auf ein anderes Scheitern Beuysscher Ideen in Hamburg, bekam der Baum als Pflanzbeigabe noch ein wenig Schlick aus den Elbe-Spülfeldern, deren ökologisch-künstlerische Umgestaltung vom Senat einst ab-

1gelehnt wurde.

Doch trotz noch aufgefundenen Torfs des Beuysschen Originalbaumes soll mit der Neupflanzung kein fetischhafter Kult begründet werden. Kunsthallendirektor Uwe M. Schneede möchte vielmehr dem da- mals an dieser Stelle angesproche-

1nen und noch immer aktuellen Kunstbegriff eine gerechte Zukunft sichern.

Die Kunsthalle hat einen Baum gepflanzt, sie baut ein (neues) Haus und sie wird gewiß noch viele Kinder, sprich Ideen zeugen. Hajo Schiff