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Entlassungen bei der ÖTV?

■ Leere Kasse, hartes Sparprogramm

Hamburg (taz) – In den nächsten drei Jahren will die Großgewerkschaft ÖTV mit Hilfe eines drastischen Sparprogramms ihre in Schieflage geratenen Finanzen wieder in Ordnung bringen. Ab sofort gilt für den ÖTV-Betrieb mit seinen 3.000 abhängig Beschäftigten ein Einstellungsstopp. Ausnahmen müssen, Stelle für Stelle, vom geschäftsführenden Hauptvorstand genehmigt werden. Bis 1996 sollen die Personalkosten sogar um insgesamt 14 Prozent gekürzt werden. Für Investitionen und Sachmittel gilt sogar eine Streichvorgabe von 20 Prozent. Diese Beschlüsse faßte der ÖTV-Hauptvorstand am vergangenen Freitag auf einer Sondersitzung in Stuttgart. Erst heute sollen Öffentlichkeit und Gewerkschaft informiert werden. Dem ÖTV-Gesamtbetriebsrat wurde bedeutet, man müsse „jetzt zusammenstehen“.

Die Schieflage der ÖTV-Finanzen ist Insidern schon seit langem bekannt. Lästige Entscheidungen, eine Organisationsreform oder gar Abstriche beim eigenen Finanzgebaren schob man aber immer wieder hinaus. Ein Doppelschlag brachte die ÖTV-Finanzen, so eine Insiderin, vom „Gleitflug“ in einen „Sturzflug“, der jetzt sofortiges Handeln erzwang: 200 Millionen Mark kostete der Streik im Mai, der Aufbau der ÖTV in Ostdeutschland verschlingt enorme Mittel. Das Vermögen schmolz schlagartig von 600 auf 400 Millionen Mark. Die flüssigen Mittel schnurrten gar von 300 auf 100 Millionen zusammen. Dieses Vermögen ist gleichzeitig die Streikkasse, der laut ÖTV-Regel Jahr für Jahr sechs Prozent der Mitgliedseinnahmen zugeführt werden sollen. Davon ist seit über zehn Jahren schon nicht mehr die Rede. Die Beiträge der 2,2 Millionen ÖTVlerInnen, immerhin stolze 500 Millionen Mark pro Jahr, werden fast ausschließlich für laufende Ausgaben verbraten.

Der ÖTV-Hauptvorstand weist entschuldigend auf die Gründe: Das Beitragsaufkommen entwickle sich schlechter als die Mitgliedszahlen, da der Anteil von Rentnern und Teilzeitbeschäftigten, beides Gruppen mit niedrigen Beiträgen, ständig steige. Gleichzeitig seien aber die Aufgaben gewachsen. So bediente man sich eben bei den Streikgeldern. Zwar weist Monika Wulf-Mathies Unterstellungen, die ÖTV sei derzeit nicht streikfähig, heftig zurück, deutet aber an, bei etwaigen zukünftigen Streiks müsse man auf preiswerte Taktiken zurückgreifen.

Bis die ÖTV aber wieder in der Lage ist, ihrer Selbstverpflichtung zur Auffüllung der Streikkasse nachzukommen, werden noch viele Jahre ins Land gehen. Die Sparbeschlüsse sind bislang lediglich Zielgrößen. Vor Entlassungen scheut man bislang zurück, obwohl schon jetzt feststeht, daß angesichts der außerordentlich geringen Fluktuation bei den ÖTV-Beschäftigten ein bloßer Einstellungsstopp nicht ausreicht. Einer auf der Krisensitzung empfahl denn auch, man müsse, um die bitteren Pillen zu verzuckern, wenigstens „symbolisch mit gutem Beispiel vorangehen“. Ob man nicht bei den Dienstwagen streichen, einen ÖTV-Car-Pool anstreben solle? Da war die Sparrunde plötzlich hellwach: Man dürfe doch nicht die Arbeitsfähigkeit der ÖTV-Spitze in Gefahr bringen. Florian Marten

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