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Digitaler Silberling

Neuheit auf dem Unterhaltungs-Elektronik-Markt: die  ■ Mini-Disc

Eine Revolution auf dem Gabentisch? Kein Problem, wenn wir dem Elektronik-Giganten Sony Glauben schenken. In seiner Hamburger Niederlassung jedenfalls gab es vor kurzem eine als solche bezeichnete zu begutachten — die Mini-Disc. Das „Machwerk optischer und digitaler Technologien“, wie die 64-Millimeter-Scheibe angepriesen wurde, sollte der Händler-Fraktion schmackhaft gemacht werden.

Und was erwartet uns ab Anfang, Mitte Dezember, wenn der mit reichlich Plastik in eine Diskettenhülle verpackte Silberling in den Geschäften steht? Schlichtweg „das neue digitale Medium für den Personal Audio Bereich“, die Ablösung der guten alten Musikkassette.

Denn die MD ist bespielbar. 20 Mark werden für ein Exemplar fäl-

1lig, bespielte kosten soviel wie ihre CD-Kollegen, an die sie klanglich allerdings nicht heranreichen. Die reinen Abspielgeräte werden bei 900, die Recorder bei 1200 Mark angesiedelt sein. Bis zu einer Million Male lassen sie sich überspielen. Der Trick: Bei 220 Grad wird die magnetische Schicht der Disc aufgelöst, einer erneuten Polarisierung steht nichts mehr im Weg.

Doch bespielbare digitale Tonträger sind keine Neuheit. Das Digital Audio Tape (DAT) flopt seit Jahren vor sich hin und findet nur in Studios Anwendung. Ende September kam die Digital Compact Cassette (DCC) auf den Markt. Wozu also ein dritter Versuch?

„DAT und DCC sind keine wirkliche Konkurrenz“, erklärten die Sony-Männer unisono. DAT und

1DCC seien Magnetbänder, die MD hingegen biete einen ebenso schnellen Titelzugriff wie die CD. Zweitens träten durch die berührungslose Abtastung keine Verschleißerscheinungen auf.

Überzeugt waren nicht alle. „Totgeburt“, munkelte so mancher, selbst die Macher schienen von ihrem Produkt nicht allzu begeistert. Um sich einen klanglichen Eindruck zu verschaffen, mußte man eine Etage tiefer in einem kleinen Kämmerlein Platz nehmen.

Oben hui und unten pfui? Ganz so schlimm war es nicht. Typischer CD-Sound, bloß noch ein bißchen steriler. Denn bei der MD wird die Datenmenge im Vergleich zur CD auf ein Fünftel reduziert — „ohne die Klangqualität wesentlich zu beinflussen“. Sprich: Der Raumklang leidet.

Aber das macht ja nichts, denn die MD soll das mobile Medium sein — rüttel- und schüttelfest, für Jogger und Autofahrer. Schließlich wurde eigens für diesen Zweck das „Shock-Proof-Memory“ entwickelt. Dank dieses technischen Fortschritts kann der Laser ruhig mal aus der Bahn geworfen werden, ein eingebauter Speicher-Chip hält immer eine Zehn-Sekunden-Reserve parat. Außerdem sei sie ja sooo widerstandsfähig. Hohe Temperaturen und normale Magnetfelder können ihr nichts anhaben, ein dickes Gehäuse macht sie nahezu unzerbrechlich. Nicht zu vergessen, daß man bei einer MD, die wie eine Diskette in Sektoren aufgeteilt ist, Stücke unterschiedlicher Länge ganz bequem austauschen kann. Eine Revolution. Oder bloß ein Format mehr? Warten wir's ab. gag

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