: Dahinter steckt immer ein dumpfes Säugetierhirn Von Mathias Bröckers
Probates Heilmittel gegen einen Anflug von Depression: Eintauchen in die Konsumwelt, besinnungslos einkaufen, empfiehlt der Kolumnist des FAZ-Magazins, Johannes Gross, zum Wochenende.
Nun ist der Mann im Hauptberuf Herausgeber der Zeitschrift Capital, redet mit seinem Plädoyer für den besinnungslosen Konsum also pro domo, er leidet außerdem an Aphorismen-Diarrhöe und Geistreichelitis, die in Form regelmäßiger Notizen zum Ausbruch kommen, ist als chronische Lallbacke also sozusagen entschuldigt: Den mit dem Odeur von Cosmopolitique parfümierten Mentaldünnpfiff dieses Glossen-Napoleons muß nun wirklich niemand ernst nehmen.
Tut man es ausnahmsweise doch, schließlich gilt der Mann als „Publizist“ und Wirtschafts-Experte, wundert die hemmungslose Dreistigkeit, mit der hier zum fröhlichen Verheizen des Planeten aufgerufen wird. Und zwar just von einem Experten, der wie Gross und Kapital-Konsorten die Wirtschaftspolitik eines Reagan, einer Thatcher, eines Kohl gelobt, gepriesen und verteidigt haben — eine Ära, die in nur zehn Jahren mehr Schulden anhäufte, als in der gesamten Menschheitsgeschichte bis dahin zusammengekommen — und die selbst jetzt, wo deren Rolle als Pleitiers der Evolution unübersehbar geworden ist (Kohl hinterläßt ein Schwarzes Loch von 1.500 Milliarden), propagandistisch weitermaschieren und bedingungslosen Einsatz an der Konsumfront als Allheilmittel empfehlen.
Nun ist nicht von der Hand zu weisen, daß das Anhäufen von Vorräten den domestizierten Primaten einst Evolutionsvorteile sicherte: Wenn den Höhlenmenschen die Depression anflog, daß er nicht über den nächsten Winter kommen könnte, half nur hemmungsloses Horten und Hamstern. Dieses tief eingeschriebene Verhaltensprogramm ist bis heute wirksam und sorgt dafür, daß Frustration durch manisches Einkaufen, Niedergeschlagenheit durch Erwerb von Überflüssigem, schlechte Laune durch Shopping kompensiert wird. Auch wenn die Einwohner der vollklimatisierten Maisonette-Höhlen unserer Tage dank voller Kühlschränke und fetter Dispo-Kredit-Rahmen kaum noch um ihr Überleben fürchten müssen, Ängste, und seien sie objektiv betrachtet noch so lächerlich, haben sie allemal. Als Therapie dieser Ängste nun aber weiter die brachiale Steinzeit-Methode besinnungslosen Hamsterns und Hortens zu propagieren, zeugt angesichts der aktuellen ökologischen Krise von geradezu affenartiger Hirnverbranntheit.
Von dem „beruhigenden Gefühl, 200 PS zuviel dabei zu haben“ war ein paar Tage zuvor im FAZ- Test eines 295-PS-Autos zu lesen, was zeigt, daß die primatenhafte Paranoia, der im Kleinhirn des Johannes Gross die Rolle des Küchenmeisters zukommt, keineswegs ein Einzelfall ist: Auch hinter anderen FAZ-Köpfen steckt immer öfter ein dumpfes Säuegtierhirn. Dagegen wäre, zumal im Rahmen des Artenschutzes, ja gar nichts einzuwenden, nur daß diese Herrn ihre Saurierhaftigkeit auch noch beruhigend finden, das kann einen doch in Angst und Schrecken versetzen. „Wenn Dummheit zu denken beginnt“, hat unser Salon-Neanderthaler seinen jüngsten Notizen-Ausschlag betitelt – wenn sie erst mal zu schreiben aufhörte, wäre schon viel gewonnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen