piwik no script img

Nikotin, mon amour! Von Kirsten Niemann

Rauchen Sie? Dann werden Sie mir gewiß zustimmen, wenn ich behaupte, daß Raucher es zunehmend schwerer haben. Unter der Fuchtel des Nikotins lebt es sich immer unangenehmer!

Mit sorgenvoller Miene blickt die deutsche Raucherwelt zur Zeit nach Frankreich, wo seit jüngstem eine drastische Gesetzgebung für Wirbel sorgt. Ob der französische Krieg gegen den Glimmstengel sich wohl bis nach Deutschland ausbreiten wird? Die Anti-Raucher-Kampagnen werden auch hierzulande deutlich massiver. Militante Nichtraucher rotten sich zusammen und werden immer frecher und lauter. Es vergeht kaum ein Monat ohne eine Fernsehdiskussion zu diesem Thema. Selbst die EG-Gesundheitsminister – schwer unter dem Druck der Anti-Raucher-Lobby – fahren zunehmend stärkere Geschütze auf. Daß das Rauchen der Gesundheit schadet, steht schon seit Jahren auf jeder Zigarettenschachtel. Mittlerweile kann man den Verpackungen jedoch sogar detaillierte Diagnosen entnehmen: „Rauchen verursacht Krebs“ und „Rauchen gefährdet die Gesundheit Ihres Kindes während der Schwangerschaft“ schocken den verängstigten Genußsüchtigen.

Medizinische Aufklärung bewirkt bei den wild entschlossenen Nikotinfreunden jedoch bekanntlich überhaupt nichts. Erst wenn die Zipperlein konkret werden, stellt sich die Bereitschaft ein, den ungesunden Lebenswandel zu ändern. Weshalb nur greift jeder Raucher wider besseres Wissen immer wieder zur Kippe?

Wie die meisten Tabakgenießer bin auch ich des öfteren vom Ekel ergriffen und versuchte schon etliche Male, einfach Schluß zu machen. Schließlich gibt es tausend gute Gründe, die dafür sprechen: Raucher sind dumm und willensschwach, sie stinken, haben gelbe Zähne und gelbe Finger. Als ich erst kürzlich nach einer durchzechten und durchgequalmten Nacht unter starken Folgebeschwerden litt, sah ich mich im Geiste schon im Grabe liegen. In meiner panischen Angst beschloß ich, die so liebgewonnene Angewohnheit aufzugeben. Eine Wette über ein nikotinfreies halbes Jahr sollte schließlich helfen, meinen Willen zu stabilisieren. Auch sportliche Betätigung, lange Spaziergänge und reichlich Süßigkeiten bringen einen zunächst auf andere Gedanken. Doch schon nach kurzer Zeit und stetiger Gewichtszunahme kommen starke Zweifel auf: Gibt man sich nun als charakterstarkes Pummelchen oder bleibt man nicht doch lieber eine ranke und schlanke Raucherin? Das Spazierengehen macht bei diesem dauerregnerischen Winterwetter ohnehin keinen Spaß. Und daß der Nikotingenuß (wenn auch zweifelhafte) Vorteile bietet, steht sogar im medizinischen Lehrbuch. Raucher werden nicht nur weniger schnell fett, sie sind außerdem sensibler und müssen nicht so oft pinkeln. Dafür kann man eine höhere Atemfrequenz, ein wenig Durchfall und Erbrechen schon in Kauf nehmen...

Die Wette erweist sich nach eingehender Betrachtung ebenfalls nicht als ideales Druckmittel zur Entwöhnung. Schon nach kurzer Zeit verkennt man seinen wahren Feind und sieht ihn nicht mehr im Glimmstengel, sondern im Wettpartner, den es auf Teufel komm raus zu bescheißen gilt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen