■ Die Geste des Generalbundesanwalts reicht nicht aus: Das Angebot der Republik
Der Generalbundesanwalt von Stahl hat das Verfahren gegen die Möllner Mörder an sich gezogen. Die Begründung: Der Anschlag ist gedacht und geeignet, die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu gefährden und zur Wiedereinrichtung einer nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland beizutragen.
Das sind andere Töne, als sie nach Rostock-Lichtenhagen zu hören waren. Nicht an versuchten Mord dachte man, als über einhundert Vietnamesen und Vietnamesinnen stundenlang in dem brennenden Haus eingeschlossen waren. Angeklagt wurde ausschließlich wegen schweren Landfriedensbruch. Die einzige Anklage wegen versuchten Mordes erfolgte gegen eine Person, die einen Brandsatz auf einen Polizisten geworfen hatte.
Die Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt ist eine längst überfällige politische Geste. Bisher wurde die Schuld an den Anschlägen den Opfern gegeben; die Parole lautete: Wenn wir das Asylrecht ändern, schaffen wir die Ursache für die Übergriffe ab. Ebenso wie das Bedeutsame an der Asyldebatte nicht das Asylrecht ist, sondern die dadurch evozierte Haltung der Deutschen zu anderen Menschen ist das Bedeutsame an von Stahls Engagement nun seine Haltung, nicht die strafrechtliche Implikationen. Die Erklärung dieses Terroranschlags zur Chefsache öffnet den Blick dafür, wie aus der Resignation angesichts der Überfälle auf Menschen herauszutreten wäre.
Anstelle der quälenden Frage, wie sich der Gewalt zu erwehren ist, anstelle der Asyldebatte, die sich als eine Ursachenbekämpfungsdebatte gebärdet, geht es nun um andere Gesten. Daß die Angriffe auf Ausländer und Andersdenkende von der Justiz nun endlich als Angriff auf diese Republik begriffen werden, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das reicht aber nicht aus. Nun ist offensive Politik gefragt: zum Beispiel die Aufnahme der von Hunger und Krankheit bedrohten Gefangenen aus Internierungslagern in Bosnien-Herzegowina.
Genauso bedeutsam aber ist der Blick in das eigene Land. Jetzt ist der Zeitpunkt für eine neue Debatte um ein Einbürgerungsgesetz und die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft gekommen. Es muß Schluß sein mit den ulkigen Forderungen, die das geltende Assimilierungsgesetz an die Bewerber stellt. Auch das kommunale Wahlrecht für Ausländer muß nun wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Antwort der Republik auf den Terror von rechts kann nur das Angebot an die hier lebenden Ausländer sein, gleichberechtigter Teil dieser Republik zu werden. Julia Albrecht
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