: Irland wählt – und wann wieder?
Gleichzeitig entscheiden die IrInnen in drei Referenden über Informationsfreiheit zur Abtreibung und begrenzte Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Irland wählt heute zum dritten Mal in fünf Jahren ein neues Parlament, nachdem die rechte Koalitionsregierung aus Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) und den kleinen Progressiven Demokraten (PD) vor knapp drei Wochen gestürzt ist. Die Zweckehe, die von Anfang an von persönlichen Animositäten überschattet war, ist letztendlich gescheitert, weil Premierminister Albert Reynolds den PD-Vorsitzenden Des O'Malley vor einem richterlichen Tribunal über Günstlingswirtschaft in der Fleischindustrie des Meineids bezichtigt hatte. Reynolds weigerte sich beharrlich, den Vorwurf zurückzunehmen, und ließ es auf Neuwahlen ankommen.
Er hat seine Hand jedoch überreizt. Meinungsumfragen deuten darauf hin, daß Fianna Fail auch diesmal nicht die absolute Mehrheit erhalten wird – im Gegenteil: Die Partei wird vor allem in Dublin einige Sitze verlieren. Viele WählerInnen sind verärgert darüber, daß Reynolds mit seiner Instinktlosigkeit der Grünen Insel teure Parlamentswahlen beschert hat, während das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt.
Das irische Pfund liegt trotz der Hochzinspolitik seit Wochen nur knapp über der Mindestmarke von 2,624 Mark und wird in den nächsten Tagen vermutlich abgewertet. Am Dienstag hatte die Zentralbank den Tageszinssatz auf 30 Prozent erhöht, die Geschäftsbanken trieben die Zinsen für Kurzkredite gar bis auf 100 Prozent. Bereits im Oktober wurden die Hypothekenzinsen auf 13 Prozent angehoben, was zur Folge hat, daß viele Familien mit Zahlungen in den Rückstand geraten sind und mit der Zwangsversteigerung ihrer Häuser rechnen müssen. Und die Arbeitslosigkeit hat mit 300.000 Menschen einen Rekordstand erreicht – Tendenz steigend.
So ist es kein Wunder, daß Reynolds nur zehn Monate nach seiner Amtsübernahme – sein Vorgänger und Parteikollege Charles Haughey war über eine Abhöraffäre gestürzt – so unbeliebt ist wie kein Premierminister vor ihm. Fianna Fail, die das Land seit 1933 mit kurzen Unterbrechungen wie ein Familienunternehmen führt, wird wohl vorerst auf den Oppositionsbänken Platz nehmen müssen, obwohl sie zweifellos die stärkste Partei bleiben wird.
Doch was ist die Alternative? Die besten Aussichten hat eine Regenbogenkoalition aus der PD, der konservativen Fine Gael (Stamm der Glen) und der sozialdemokratischen Labour Party, die wohl am meisten von den Wahlen profitieren wird. Die linken Parteien – und dazu rechnet man in Irland auch die Labour Party – sind bisher nie über 14 Prozent der Parlamentssitze hinausgekommen. Labour hat sich im Wahlkampf allerdings auf kein Bündnis festgelegt, sondern alle Optionen offengelassen.
Das irische Parteienspektrum ist ein Produkt der irischen Teilung. Als Irland und Großbritannien nach dem Unabhängigkeitskrieg der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) 1922 den Teilungsvertrag unterzeichneten, kam es zu einem zweijährigen Bürgerkrieg, weil weite Teile der IRA die Teilung ablehnten. Aus den Vertragsgegnern entstand Fianna Fail, die Befürworter gründeten Fine Gael. Die PD wiederum spaltete sich erst 1985 von Fianna Fail aufgrund persönlicher Differenzen ab. Auf der linken Seite kandidieren die Workers' Party, Democratic Left und Sinn Fein, die ebenfalls allesamt aus der IRA hervorgegangen sind, bei den Wahlen jedoch keine Chance haben und höchstens eine Handvoll Sitze einstreichen werden.
Schmutzige Wäsche und leere Versprechungen
Da sich die ökonomischen und politischen Ideologien der drei rechten Parteien kaum unterscheiden, war der Wahlkampf von Diffamierungen und der schmutzigen Wäsche der letzten zwanzig Jahre bestimmt. Daneben überboten sich die Parteien täglich mit neuen Versprechungen, die angesichts der angespannten Wirtschaftslage niemals einzuhalten sind. Nicht nur Pessimisten prophezeien, daß sich die neue Regierung – unabhängig davon, wie sie aussieht – kein Jahr halten wird. Aufgrund der leeren Kassen bei allen Parteien blieb der Bevölkerung diesmal wenigstens ein ausgedehnter Wahlkampf erspart. Zwischen dem Sturz der Regierung und den Wahlen sind gerade mal die gesetzlich vorgeschriebenen drei Wochen vergangen – der kürzeste Wahlkampf in der irischen Geschichte.
Sämtliche Parteien vermieden es peinlichst, das Thema Abtreibung anzusprechen, weil damit kein Blumentopf zu gewinnen ist. Die WählerInnen müssen heute in drei Referenden auch entscheiden, ob Schwangere das Land zur Abtreibung verlassen dürfen, ob Informationen über Abtreibungsmöglichkeiten im Ausland freigegeben werden und ob Abtreibung in bestimmten Fällen in Irland legalisiert wird. Vor allem der letzte Punkt ist heftig umstritten, da er ausdrücklich ein Gesundheitsrisiko für die Schwangere als Abtreibungsgrund ausschließt und Schwangerschaftsabbrüche lediglich bei akuter Lebensgefahr – außer durch Selbstmord – zuläßt.
Doch selbst das ist dem ultrarechten Spektrum aus katholischer Kirche, selbsternannten „Lebensschützern“ und rechtsradikalen Jugendlichen schon zuviel. Sie plädieren für ein Nein in allen drei Volksentscheiden, weil sie in der Reise- und Informationsfreiheit „Beihilfe zum Mord“ sehen. Frauenorganisationen und alle Parteien außer Fianna Fail lehnen den dritten Punkt ebenfalls ab, weil sie den Ausschluß der Gesundheitsgefährdung für frauenfeindlich erachten.
Dennoch ist das Ergebnis völlig offen. Auf beiden Seiten gibt es nämlich Befürchtungen, daß es bei einem Nein nur noch schlimmer kommen könne, weil die neue Regierung dann die Abtreibungsfrage per Gesetz regeln muß. Klar ist lediglich, daß die Debatte mit den Volksentscheiden keineswegs beendet ist. Die vage Formulierung wird dafür sorgen, daß die Auseinandersetzungen in Zukunft vor den Gerichten weitergeführt werden.
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