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„Nicht solide finanziert“

■ Interview mit Ingrid Matthäus-Maier (SPD) zum Haushaltsentwurf für 1993

taz: Frau Matthäus-Maier, wie hoch beziffern Sie die Deckungslücke im Haushaltsentwurf der Bundesregierung?

Matthäus-Maier: Wenn man es ernst meint mit dem Aufbau im Osten, dann brauchen wir ein längerfristiges Zukunftsinvestitionsprogramm mit zehn Milliarden DM jährlich über zehn Jahre. Auch für die Verbesserung der Investitionszulage brauchen wir mehr Geld, da die Beschränkung auf eine Million DM unzureichend ist. Wenn ich dazu die Steuermindereinnahmen infolge der steigenden Arbeitslosigkeit und die Ausfälle infolge der längst überfälligen Verbesserung des Grundfreibetrages hinzuzähle, so beläuft sich die Lücke sicherlich auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Wie würde die SPD diese Löcher stopfen?

Erstens: durch einen sofortigen Verzicht auf die zum 1.1.1993 in Kraft tretende Senkung der Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer in Höhe von 4,5 Mrd. DM. Zweitens können wir uns einen Verteidigungshaushalt von über 50 Mrd. DM einfach nicht mehr leisten. Ein Musterbeispiel ist der Jäger 90: Noch vor Jahren sollte er 90 Millionen DM kosten. Vor wenigen Wochen wurde der Ausstieg erklärt, weil der Vogel mittlerweile einfach zu teuer geworden war. Jetzt redet man von einer Billigversion, die wieder 90 Millionen Mark kosten soll. Für dieses Geld könnte man tausend Sozialwohnungen bauen. Drittens können wir bei den Steuersubventionen und vor allem bei den Agrarsubventionen kräftig sparen. Und schließlich muß die Regierung bei sich selbst anfangen: Von den 62 Staatssekretären lassen sich leicht 20 einsparen. Außerdem fordern wir die Verlängerung des Solidaritätszuschlags, aber mit einer Einkommensgrenze von 120.000 DM für Verheiratete.

Von Ihnen war Skepsis gegenüber den jüngsten Plänen der Bundesregierung für den Aufschwung Ost zu hören. Hat für die Sozialdemokraten die Besitzstandswahrung West Vorrang vor der Solidarität mit Ostdeutschland?

Ich habe Skepsis geäußert, daß die von der Regierung vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen und nicht solide finanziert sind. Daß der Aufbau im Osten Vorrang vor dem weiteren Ausbau im Westen haben muß, ist meine feste Überzeugung. Deshalb habe ich auch Verkehrsminister Krause im Parlament heftig kritisiert, weil in seinem 100-Milliarden-Verkehrswegeplan zwei Drittel in den Westen und nur ein Drittel in den Osten geht. Wem das im Westen nicht gefällt, dem sage ich: Wenn die Wirtschaft im Osten nicht auf die Beine kommt, gehen wir im Westen in die Knie. Interview: Hans-Martin Tillack

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