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Waigels Schattenhaushalte im Rampenlicht

■ Die Nebenetats eignen sich schon längst nicht mehr zum Schuldenverstecken

Berlin (taz) – Die „Stunde der Wahrheit“ über die Kosten der Einheit hatte Bundeskanzler Helmut Kohl bereits auf dem CDU- Parteitag Ende Oktober versprochen. Erleichterung machte sich breit auf den Chefetagen der großen Konzerne: Ist das Problem erst einmal benannt, kann man ja zur Lösung schreiten, glaubten die Industriekapitäne, die lange schon vor den negativen Auswirkungen der Staatsverschuldung auf die gesamte Wirtschaft warnen.

Sie freuten sich zu früh über Kohls Rede. Die „Stunde der Wahrheit“ wird nach den Plänen der Bundesregierung erst 1995 kommen. Erst dann nämlich werden sämtliche Schattenhaushalte in die regulären Etats eingearbeitet sein. Und nach aller Erfahrung wird Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) erst dann versuchen, Staatseinnahmen und -ausgaben wieder ins Verhältnis zueinander zu setzen – vorausgesetzt, er ist nach der 1994er Bundestagswahl noch im Amt.

Die Schattenhaushalte allerdings sind schon lange kein geeignetes Versteck mehr für die Minusmilliarden, die dort gut sichtbar weiterwuchern werden:

– So wird die Treuhandanstalt mit 250 Milliarden DM Schulden ihr Privatisierungsgeschäft abschließen – wenn ihr nicht noch zusätzliche teure Sanierungsprogramme für die industriellen Kerne Ostdeutschlands aufgebürdet werden.

– Der Kreditabwicklungsfonds, in dem die Altschulden der Ex- DDR lagern, wird Ende 1994 weitere 140 Minusmilliarden enthalten.

– Die Bundespost kommt auf 128,5 Milliarden DM Schulden.

– Der Fonds Deutsche Einheit kommt auf einen Fehlbetrag von 93 Milliarden DM.

– Bundes- und Reichsbahn fahren vereint ein Minus von 85 Milliarden DM ein,

– und die ERP-Kredite summieren sich auf 43 Milliarden DM Schulden.

Gemeinsam werden Bund, Länder und Gemeinden das öffentliche Schuldengebirge bis Ende 1994 auf über zwei Billionen DM, eine Zahl mit zwölf Nullen, aufgetürmt haben – eine Summe, bei der sich streiten läßt, ob es eher drei oder noch mehr Generationen brauchen wird, diesen Berg wieder abzutragen. Heute schon muß der Staat von jeder Steuermark 12,6 Pfennige an die Banken abgeben, wie der Spiegel vorrechnete. Für zwei Drittel des Schuldenbergs zeichnet der Bundesfinanzminister mit seinen Schattenhaushalten verantwortlich.

Bereits für das kommende Jahr fällt es der Regierung schwer, auf ihrem eingefahrenen Haushaltsgleis zu bleiben. Der Etatentwurf Waigels hält nicht einmal bis zu seiner regulären Verabschiedung als Gesetz durch den Bundestag: Nach Weihnachten soll per Nachtragshaushalt möglichst viel Geld herausgespart werden, um mehr als die geplanten 92 Mrd. DM für den Aufbau nach Ostdeutschland überweisen zu können. Bundeswirtschaftsminister Möllemann darf dabei auf 12 Mrd. DM hoffen.

Zunächst allerdings wird Waigel damit klarkommen müssen, daß wegen der Konjunkturflaute nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 10 und 12,5 Milliarden DM weniger an Steuern, als geplant, in seine Kassen fließen. Steuererhöhungen bergen in sich die Gefahr, die Flaute noch zu verstärken, weil die BürgerInnen all das, was sie an zusätzlichen Steuern zahlen müßten, nicht anderweitig verkonsumieren können. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab Januar 1993 auf 15 Prozent, die zwölf Milliarden DM Mehreinnahmen in die Staatskasse bringen wird, wirkt ohnehin schon dämpfend auf die Kauflust. „Mut zum Sparen“, fordert daher Prof. Herbert Hax, Vorsitzender der fünf Wirtschaftsweisen, von der Bundesregierung.

Den allerdings haben Kohl & Co., die vor zehn Jahren mit dem Ziel antraten, die Staatsverschuldung einzudämmen, höchstens mal bei Sozial- oder Bildungsausgaben unter Beweis gestellt. Der konkreteste Sparvorschlag der Regierung ist auch jetzt das Einfrieren der Sozialhilfe, was bundesweit (bei Ländern und Gemeinden) drei Milliarden DM einsparen soll.

Bei welchen Subventionen für Unternehmen in Industrie und Landwirtschaft gestrichen werden könnte – dazu freilich fehlen bislang Vorschläge, trotz der zweifellos vorhandenen Masse: Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kletterten die Alimente allein für Unternehmen von 61 Mrd. DM im Jahr 1980 auf zuletzt 86,5 Milliarden; insgesamt erhalten Bauern und Industrie in diesem Jahr 135,7 Mrd. DM – ohne daß die Regierung den Versuch unternommen hätte, wenigstens in den Boomjahren 1988 bis 1991 die eine oder andere Subventionsmark zu behalten. Auch Möllemanns Vorstoß vor einem Jahr, wenigstens 10 Milliarden DM an Subventionen einzusparen, zeitigte unterm Strich nicht den gewünschten Effekt.

Selbst die nächstliegende Kürzung, im Verteidigungshaushalt, fällt mit 3,8 Prozent äußerst bescheiden aus – obwohl niemand ernsthaft bestreitet, daß nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation die Bundeswehr eigentlich abgespeckt werden müßte, dieses Land für seine Verteidigung keinesfalls mehr jährlich 50 Milliarden DM aufzuwenden bräuchte.

Auch die SPD drückt sich bislang vor der Fleißarbeit, die diversen Haushaltsposten auf konkrete Einsparmöglichkeiten durchzukämmen. Die „Stunde der Wahrheit“ – sie läßt im Bundestag quer durch alle Parteien auf sich warten. Donata Riedel

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