: 50 Minuten Selbstkritik, dann Drucksache 14/27
■ Bürgerschaft debattierte über Morde von Mölln / CDU moniert Bevorzugung von Ausländern bei Wohnungsvergabe
/ CDU moniert Bevorzugung von Ausländern bei Wohnungsvergabe
Für SPD-Fraktionschef Günter Elste war es „die Stunde der Selbstkritik“. CDU-Kollege Rolf Kruse räumte ein, daß „wir, die politisch Verantwortlichen, auch Fehler gemacht haben.“ Debatte zu den Morden von Mölln gestern Nachmittag in der Hamburger Bürgerschaft. Verurteilung von rechtsextremistischer Gewalt, Appelle, den Terror nicht länger hinzunehmen, Beschwörung des demokratischen Konsenses, Eingeständnisse eigener Versäumnisse.
Die Stunde dauerte genau fünfzig Minuten, dann ging man zur Tagesordnung über: Drucksache 14/2780, Antrag der CDU zu „öffentlich geförderten Mietwohnungen und ihrer Belegung“. Darin wird der Senat unter Punkt 2 aufgefordert, dafür zu sorgen, daß bei der Belegung von Sozialwohnungen „Einheimische nicht mehr gegenüber Ausländern benachteiligt werden“. Alltag im Parlament.
Dabei hatte es ganz anders begonnen: Da setzte sich Bürgerschaftspräsidentin Elisabeth Kiausch in ihrer Trauerrede eindringlich für den Schutz aller Ausländer ein. Da beschwor CDU-Chef Kruse die „demokratische Zuwendung zu unseren ausländischen Mitbürgern“ und ließ die Hoffnung aufkeimen, die CDU würde sich sogar künftig Drucksachen Marke 14/2780 sparen: „Lassen wir es nicht zu, daß ein Keil zwischen die deutschen und ausländischen Mitbürger getrieben wird.“
Da wurde in 50 Trauerminuten sogar nicht nur „Abscheu und Entsetzen“ über die rechtsextremistische Gewalt geäußert, da lugten sogar Ansätze von Ursachenbekämpfung für das gar nicht so neue Problem Ausländerfeindlichkeit durch die sonst so dichten parlamentarischen Nebelschwaden. GAL-Chefin Christa Sager forderte ihre Bürgerschaftskollegen auf, statt der Debatte über das Grundrecht auf Asyl nun endlich eine Debatte zum Thema „mehr politische Rechte für Ausländer“ zu führen, damit sich diese Ausländer endlich auch „politisch verteidigen“ könnten. Und SPD-Chef Elste erkannte die soziale Spaltung der Gesellschaft, die sich öffnende Schere zwischen arm und reich und nicht gehaltene Politiker-Versprechen als idealen Nährboden für Rechtsextremismus.
Das wollte sein Parteigenosse Henning Voscherau dann aber nicht ganz so sehen. Der Bürgermeister warnte davor, Täter zu Opfern zu machen und der Gesellschaft die Schuld in die Schuhe zu schieben. Stattdessen empfahl Voscherau den Mut zum „starken Staat“, zur „wehrhaften Demokratie“ und appellierte an die Hamburger, nicht wegzuschauen, wenn Ausländern Unrecht geschieht.
Die Drucksache 14/2780 wurde zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. uex
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