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Schlagabtausch mit Softballschlägern

Peggy Marshalls „Eine Klasse für sich“ macht aus einer Arena ein Spielfeld  ■ Von Thomas Winkler

Baseball ist nicht Fußball. Fußball ist Fußball, Baseball ist Amerika. Fußball ist Sport, Baseball ist Kult. Zum Fußball geht der Familienpapa am Samstag nachmittag, zum Baseball geht die ganze Familie inklusive Baby und Picknickkorb, denn der Spätsommer gehört traditionell dem Baseball. Ein gutes Fußballspiel dauert neunzig Minuten und ist bestenfalls unterhaltsam. Ein gutes Baseballspiel dauert über vier Stunden, die entscheidenden Aktionen ließen sich in fünf Minuten zusammenfassen, aber immer ist es spannend. Baseball ist ein Heiligtum, der Sport der amerikanischen Arbeiterklasse.

„Eine Klasse für sich“ ist ein ungewöhnlicher Baseball-Film. Während sich die meisten Exempel dieses Genres mit Männern und ihren Siegen beschäftigen, den Mythos Baseball geradezu beschwören wie Kevin Costners „Feld der Träume“, widmet sich Penny Marshalls Film der „All American Girls Professional Baseball League“, die 1942 mit vier Teams gegründet wurde, weil das professionelle Männer-Baseball während des Krieges auf viele seiner Stars und teilweise völlig auf einen geregelten Spielbetrieb verzichten mußte. Elf Jahre später wurde die erste und einzige Frauen-Profi- Baseball-Liga wieder aufgelöst.

„Eine Klasse für sich“ hätte eine Parabel werden können auf das Schicksal der Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs die Plätze der Männer einnehmen mußten. Sie waren aufgefordert, ihren Teil zum Sieg beizutragen, das hieß, den Mann an der Heimatfront ersetzen und weiter Mutter und Hausfrau sein. Es hätte auch eine Parabel auf die Zeit nach dem Krieg sein können, als von ihnen verlangt wurde, genauso widerspruchslos an den Herd zurückzukehren.

Die Geschichte der Frauen- Liga spiegelt diesen Aspekt der Zeitgeschichte wieder. Talentesucher zogen über Land, lockten die Mädchen mit wenigen Dollars aus ihrem tristen Dorfleben, und als die Liga endlich akzeptiert war und Erfolg hatte, war ihr Ende eigentlich schon besiegelt, weil abzusehen war, daß die männlichen Stars aus Europa zurückkehren würden.

Doch Penny Marshall hat ihren Film in Hollywood gemacht und hat sich auch bisher nicht gerade als bewußte Feministin hervorgetan. Mit „Zeit des Erwachens“ etablierte sie sich eher als überdurchschnittliche Regisseurin, die vor allem dem klassischen Hollywood- Kino verhaftet ist. Die feministische Kritik wird deshalb nur angedeutet, nur einmal geht es direkt zur Sache. Liga-Manager: „Wir erzählen ihnen, es ist ihre patriotische Pflicht, aus der Küche zu kommen und zu spielen.“ – Clubbesitzer: „Es gibt keinen Platz für Damen-Baseball nach dem Krieg.“ Doch Geena Davis, die als Dottie Hinson zum Star der Liga aufgebaut wurde, hat letztlich nur darauf gewartet, daß ihr Gatte aus dem Krieg zurückkehrt. Kaum ist Männe wieder da, packt sie den Schläger und den Handschuh ein und reist zurück ins Hausfrauendasein. Andere Spielerinnen, wie die von Madonna dargestellte Mae Mordabito, sind der Gegenentwurf, suchen als Frauen Freiheit und Unabhängigkeit, verlassen Familie oder widerliche Jobs, um in einem Männerberuf den Männermythen und dem Männerruhm nachzueifern.

Aber das ist nur ein Nebenkriegsschauplatz. In erster Linie ist „Eine Klasse für sich“ nur ein weiteres Kapitel in der endlosen Wiederbelebung des amerikanischen Traums vom phönixartigen Aufstieg aus dem Nichts – nur diesmal mit anderen Vorzeichen. Der Unterschied ist, daß die Hauptpersonen Frauen sind, ihr Ziel ist trotzdem allein der Erfolg. Einzig die Sieger behält man in Erinnerung, den Erfolgreichen gehört der Ruhm, der unsterblich macht. Der Zweifel ist zwar vorhanden, aber letztlich siegt das Gute, das Starke. Und Frauen sind nicht anders, sondern nur die schlechteren Männer. So endet der Film auch nicht mit der Auflösung der Liga – also mit einer Niederlage –, sondern mit dem erfolgreich überstandenen Kampf um die Fortführung des Spielbetriebs nach der ersten Saison.

Alle ProtagonistInnen bestehen im Laufe des Films die Probe aufs Exempel; sie alle sind irgendwann gesellschaftsfähig: die Spielerinnen, der Manager der Liga, sogar Tom Hanks als versoffener Trainer der Mannschaft. Zu Beginn schläft er seinen Kater noch regelmäßig während der Spiele auf der Bank aus, nach der Läuterung schlägt er sogar bessere Angebote aus und will weiter eine Frauschaft trainieren.

Hanks, bekanntermaßen ein eher unterdurchschnittlicher Mime, hat seine besten Momente als unsympathischer, stinkender, spuckender Trottel.

Die Wandlung zum engagierten Trainer vermittelt er nur unzureichend und unglaubwürdig, so wie auch der ganze Film ein eher trauriges Kapitel amerikanischer Frauengeschichte in eine hollywoodkompatible Erfolgsstory umzimmert.

Heute schlagen die amerikanischen Frauen nicht mehr nach dem Baseball. Wie Kinder spielen sie Softball, eine entschärfte Variante mit kleinerem Feld und größerem, weicherem Ball, in dem der Wurf nur von unten und entsprechend harmloser ausgeführt wird.

„Eine Klasse für sich“. USA 1992, Regie: Penny Marshall. Produzenten: Robert Greenhut & Elliot Abbott. Kamera: Miroslav Ondricek. Mit Geena Davis, Tom Hanks, Madonna, Lori Petty u.a.

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