: "Was ist das für ein Land ..."
■ Türkische Hamburger fordern Maßnahmen gegen Diskriminierung und wirksamen Schutz vor Rechtsextremisten
vor Rechtsextremisten
Trauer, Entsetzen, Beschämung über die Morde von Mölln, ja, natürlich. Aber das darf nicht alles sein. Darüber waren sich Hamburgs türkische Organisationen gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz einig. Sie fordern jetzt Taten: neue Gesetze, die den Ausländern mehr demokratische Rechte geben; stärkeren Schutz vor rechtsextremistischen Gewalttaten; ein Ende der alltäglichen Diffamierung und der verdeckten Gewalt gegen alle, die anders aussehen.
Hakki Keskin, Sprecher des Bundes Türkischer Einwanderer in Hamburg, brachte es auf den Punkt: „Die Ausländerpolitik ist gescheitert. Was ist das für ein Land, in dem Hunderttausende Angst haben, ihre Kinder allein zur Schule zu schicken, allein auf die Straße zu gehen, zu Hause zu schlafen?“ Keskin fordert eine „neue Gesamtkonzeption“, die Schluß macht mit der „staatspolitischen Diskriminierung“ von Ausländern. Keskins Vorschläge: Wahlrecht für Ausländer; Anti-Diskriminierungsgesetze, die verhindern, daß Nichtdeutsche wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden können; ein runder Tisch, an dem Politiker und Betroffene Lösungsmöglichkeiten erörtern. „Wir möchten mitgestalten.“
Maßnahmen, die nicht nur im Interesse der Ausländer liegen, wie der jüdische Schriftsteller Gabriel Laub verdeutlichte, der gemeinsam mit seinen Kollegen Siegfried Lenz und Günther Kunert an der Pressekonferenz teilnahm: „Wer die Ausländer verteidigt, verteidigt sich selbst.“ Auch die Nazis hätten mit Angriffen auf Minderheiten begonnen, ehe sie ganz Deutschland ins Elend geführt hätten.
Die Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Hamburg, Gökhan Alman-Kalcek, beklagte, daß die Politiker Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit zu lange bagatellisiert und durch die Diskussion um das Grundrecht auf Asyl gefördert haben: „Wer den Rechtsradikalismus und Faschismus durch Eliminierung historisch begründeter Grundrechte bekämpfen will, lenkt damit von den eigentlichen Ursachen ab und handelt nicht verantwortungsbewußt. Ausländerfeindliche Gewaltakte müßten „endlich als organisiertes Verbrechen und Terrorismus“ eingestuft und wirksam bekämpft werden.
Und wenn das nicht gelingt? Wenn ausländische Mitbürger weiter diskriminiert werden, wenn Mölln nur eine Episode, nicht aber Wendepunkt ist? „Dann“, so Hakki Keskin, „werden die betroffenen Menschen selbst Gegenwehr organisieren, um sich zu schützen.“
Die türkischen Organisationen rufen die Hamburger für heute zur
1Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten auf (siehe Kasten). Der Senat hat Trauerbeflaggung angeordnet, an den Schulen sollen um zwölf Uhr Mahnminuten eingelegt werden. uex
Siehe auch Bericht Seite4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen