Neonazi-Kader werden vorsichtig

Mit taktischen Maßnahmen versuchen Neonazi-Organisationen einem Verbot zu entgehen/ „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ als Schnittstelle vieler Gruppierungen  ■ Von Bernd Siegler

„Weiter so, Deutschland“, fordert die neonazistische Postille Die Neue Front — Widerstand auf ihrer Titelseite und bezieht sich auf die Pogrome von Rostock. Das illegale Blatt, das sich als Sprachrohr der von Michael Kühnen initiierten Kaderorganisation „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) versteht, kann sich nach Mölln nun bestätigt sehen: „Wir werden die Flamme der deutschen Revolution von Rostock, Cottbus und Dresden nach Hamburg, Frankfurt und München tragen“, heißt es im Inneren des Hetzblattes. Juristische oder polizeiliche Maßnahmen gegen die Autoren des Blattes und die Mitglieder der Kaderorganisation selbst sind bislang Fehlanzeige, obwohl sich unter dem Dach der GdNF die wichtigsten Neonazi-Gruppierungen versammelt haben.

Die GdNF versteht sich selbst als „Gemeinschaft von überzeugten und bekennenden Nationalsozialisten“ und sieht sich in der Tradition der SA. Als Ziel hat sich die GdNF die Neugründung der NSDAP gesteckt. Daß die Kaderorganisation damit gegen die bundesdeutschen Strafgesetze verstößt, weiß sie genau. Deshalb läuft der Vertrieb ihrer Zeitschrift über eine Postfachadresse in den Niederlanden. Die Gelder laufen über ein Konto bei der holländischen Bondsspaarbank Delfzyl. Angesichts der Ankündigung Bundesinnenminister Seiters' und seinen Länderkollegen, daß demnächst ein Verbot von rechtsextremen Gruppierungen anstehen würde, versuchen die Kaderaktivisten mit taktischen Schritten ihre Schäflein ins trockene zu bekommen.

In der Oktober-Ausgabe der in 400 Exemplaren vertriebenen Neuen Front sieht sich die GdNF veranlaßt, ihr „Verhältnis zu legalen Organisationen“ zu klären. Gruppen, Parteien und Verbände, die in der Postille Erwähnung finden, seien demnach „nicht automatisch unserer Gemeinschaft zugehörig“. Dies betreffe „besonders Deutsche Alternative, Nationale Liste, Nationaler Block, Nationale Alternative“. Christian Worch, Chef der Hamburger „Nationalen Liste“, droht Journalisten gar mit rechtlichen Schritten, sollten sie ihn weiterhin als „den Führer oder einen der Führer oder auch nur als Angehörigen der ominösen GdNF bezeichnen“.

Schon auf Seite 6 der gleichen Ausgabe ist zur Erinnerung an „unseren langjährigen Mitkämpfer“ und „einen der treuesten Nationalsozialisten der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“, den im September verstorbenen Neonazi Edgar Geiss aus Stade, ein Foto abgedruckt, das Geiss neben Michael Kühnen und Christian Worch zeigt. Im weiteren wird Worch von der „ominösen GdNF“ stets als „unser Kamerad“ bezeichnet, ebenso wie der Berliner Arnulf Priem, Chef der Nazi- Rockergruppe „Wotans Volk“. Die Autoren loben die „erfolgreiche Arbeit“ der wohl wichtigsten Neonazi-Organisation in den neuen Ländern, der „Deutschen Alternative“, im „Gau Brandenburg“. Deren Postille, der Brandenburger Beobachter, wird als „wahrscheinlich eine der besten Publikationen des national-revolutionären Lagers“ gepriesen, die Bestelladresse wird gleich mitgeliefert.

Der „Gau Rheinland-Pfalz“ der GdNF ist identisch mit dem DA- Landesverband, der „Gau Hessen“ mit der Gruppierung „Deutsches Hessen“ um Heinz Reisz aus Langen. Die Führer des in Wilhelmshaven ansässigen „Deutschen Kameradschaftsbundes“ werden als „unsere Kameraden“ im „Gau Niedersachsen“ betitelt.

Die Verflechtungen in der Neonazi-Szene sind also vielfältig. Gemeinsame Veranstaltungen und Aufmärsche wie z.B. in Rudolstadt und Bayreuth, in Leipzig, Halle oder Dresden legen die Vermutung nahe, daß neben DA, NL, NA und dem Nationalen Block auch die führenden Köpfe von Organisationen wie der „Deutsch Nationalen Partei“ um Thomas Dienel in Weimar oder der „Nationalen Offensive“ sowie der „Sächsischen Nationalen Liste“ in Dresden der GdNF angehören.

Mit dieser Aufsplitterung in eine illegale „stahlharte Kaderorganisation“ und viele „legale Organisationen, Parteien und Verbände“, hoffen die GdNF-Aktivisten unbeschadet von staatlicher Repression weiter für das „Vierte Reich“ und für eine „revolutionsartige Kettenreaktion gegen den Asylterror“ kämpfen zu können.