SPD zweifelt an Einwanderungsgesetz

Heute beginnen die Asyl-Verhandlungen zwischen Regierung und SPD-Opposition/ Sozialdemokraten: Seit Mölln mehr Nachdenklichkeit in der Regierungskoalition  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) – Der Parteienstreit um das Asylrecht hat sich in den letzten Tagen beruhigt, der Streit im Detail beginnt heute. Sechzehn Männer und eine einzige Frau – die FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – treffen sich um 13 Uhr in der baden-württembergischen Landesvertretung in Bonn, um ein neues Asylrecht auszuhandeln. Bis Sonntag sollen diese ersten Beratungen dauern, bis Weihnachten erhoffen sich CDU, CSU, FDP und SPD ein Ergebnis, das dann im nächsten Jahr in Gesetze gegossen werden könnte.

Die Verhandler der SPD zeigen verhaltenen Optimismus. Sie erhoffen sich von den Gesprächen zumindest eine Chance, das Thema aus dem öffentlichen Dauerstreit herauszuhalten. „Nach Mölln“, so ein Sozialdemokrat, „sind viele in der Regierungskoalition noch nachdenklicher geworden.“ Gründliches Nachdenken ist auf alle Fälle unverzichtbar, allein um die zahllosen praktischen Fragen zu lösen, die die von Hoffnungen überfrachtete Grundgesetzänderung aufwirft.

So beklagt man in der SPD an den bisherigen „Eckpunkten“ von Innenminister Rudolf Seiters (CDU) vor allem die unklare Umsetzung. Sollen Flüchtlinge an der Grenze ihren Antrag stellen und von dort wieder zurückgeschickt werden können, müssen dort Sammellager eingerichtet werden. Da die Westgrenzen bald verschwinden, müßten diese „Auffangstationen“ fast ausschließlich in Ostdeutschland entstehen – ausgerechnet dort, wo die Flüchtlinge am wenigsten gern gesehen sind. Außerdem: Wer entscheide in welchem Verfahren über eine Zurückweisung?

Unerwähnt läßt das Seiters-Papier alles, was über das eigentliche Asylrecht hinausgeht, etwa die Frage nach den Aussiedlern. Unklar ist, wie ein Sonderstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge aussehen könnte. Die Kriegsflüchtlinge werden heute von den Gemeinden meist in das Asylverfahren gedrängt, weil in diesem Fall der Bund die Sozialhilfekosten trägt. Will Bonn diesen Zustand beenden, müßte es – eventuell gemeinsam mit den Bundesländern – Gelder zur Verfügung stellen.

Ob in den Verhandlungen ein eigenes Einwanderungsgesetz vereinbart wird, scheint inzwischen völlig offen. Die generelle Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft und eine erleichterte Einbürgerung wollen die Sozialdemokraten zwar auf alle Fälle erreichen. Doch selbst sie bezweifeln inzwischen, ob ein Einwanderungsgesetz zur Zeit machbar und hilfreich wäre. Im SPD-Parteitagsbeschluß sei nur von einem „europäisch abgestimmten Einwanderungsrecht“ die Rede, heißt es in der SPD-Fraktion. Niemand habe eine klare Vorstellung, wie ein solches Gesetz aussehen könnte.

„Wer soll eigentlich einwandern dürfen“, fragen die SPD-Experten, „und wie viele?“ Brauche das Land mitten in einer Konjunkturflaute überhaupt neue Arbeitskräfte aus dem Ausland? Müsse es eine eigene Quote für Roma und Sinti geben? „Dazu“, so ein Sozialdemokrat, „muß man sich erst mal bekennen.“