: „Wir erwarten politische Signale“
■ Ausländerorganisationen sprachen mit Innensenator und Regierendem Bürgermeister/ Anschlag auf türkischen Imbiß
Berlin. In Reaktion auf die Mordanschläge von Mölln hat Berlins Regierender Bürgermeister gestern Vertretern von elf Ausländer- und Einwandererorganisationen staatlichen Schutz für die hier lebenden Ausländer zugesichert. An seinem gut zweistündigen Gespräch mit der Türkischen Gemeinde zu Berlin, dem Verein Slovenia, dem arabischen Frauenverband, der Vereinigung der Vietnamesen und weiteren Initiativen nahmen auch Sozialsenatorin Ingrid Stahmer, die Ausländerbeauftragte Barbara John sowie Polizeipräsident Hagen Saberschinsky teil. Letzterer will demnächst in Einzelgesprächen mit den Organisationen konkrete Schutzmaßnahmen für die jeweiligen Nationalitäten vereinbaren.
Kenan Kolat, Geschäftsführer des „Bundes der EinwanderInnen aus der Türkei“, freute sich anschließend zwar, daß die Runde überhaupt stattgefunden hat. Allerdings sei die Diskussion zu sehr um polizeiliche Maßnahmen gekreist. „Wir erwarten politische Signale“, so Kolat. Die Politiker sollten endlich Maßnahmen zur Gleichstellung der Einwanderer ergreifen und ein Antidiskriminierungsgesetz vorbereiten. Nur bei der Frage einer möglichen Doppelstaatsbürgerschaft für die hier aufwachsenden Ausländerkinder habe Diepgen Unterstützung signalisiert. Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Mustafa-Turgut Cakmokoglu, zeigte sich nicht völlig zufrieden mit dem Gespräch. Seine Organisation fordere von der Politik die Möglichkeit einer schnellen – auch kollektiven – Einbürgerung, das kommunale Wahlrecht für Ausländer sowie das Verbot rechtsradikaler Gruppen.
Ein Gespräch zwischen Innensenator Dieter Heckelmann und der Türkischen Gemeinde am Donnerstag abend zeitigte offenbar etwas konkretere Ergebnisse. Der Innensenator habe zwar keine eigenen Vorschläge gemacht, so Cakmokoglu, aber die meisten ihrer Vorschläge akzeptiert. So sollen türkische Einrichtungen weiterhin polizeilich geschützt und regelmäßige Treffen zwischen Polizeifunktionären und ihrer Gemeinde abgehalten werden. Eine Dienstanweisung für sofortiges Eingreifen bei Angriffen auf Ausländer ist nach Cakmokoglus Information bereits erlassen worden. Rechtliche Bedenken habe der Innensenator allerdings bei der Forderung nach dem Verbot provozierender Veranstaltungen und rechtsextremer Organisationen geltend gemacht. Ersteres sei gar nicht, letzteres nur auf Bundesebene machbar.
Wie schon zuvor Diepgen appellierte auch Heckelmann bei dieser Gelegenheit an die Nichtdeutschen, keine Selbstjustiz zu üben. Umgekehrt warnte aber auch Cakmokoglu: „Die Situation ist sehr gespannt und kann jederzeit eskalieren.“ Auch er sei für das Gewaltmonopol des Staates, aber dieser müsse überhaupt erst wieder „das Vertrauen erwecken, daß er die Ausländer vor Angriffen schützt“.
Nur wenige Stunden nach diesem Gespräch, gestern morgen um 2.30 Uhr, warfen Unbekannte einen Brandsatz in einen türkischen Imbiß in der Turmstraße. Er brannte völlig aus. Zeugen beobachteten, wie die Täter noch bei ihrer Flucht Richtung Bandelstraße mit einem Stein das Schaufenster eines türkischen Teppichladens zertrümmerten. Im „Pressedienst“ der Polizei war jedoch nur von einem „Imbiß“ und einem „Laden“ die Rede. Gefragt, warum das Wort „türkisch“ nicht auftauche und somit ein Hinweis auf das mögliche Tatmotiv unterbleibe, antwortete ein Polizeisprecher: „Das müssen wir doch nicht schreiben. Ich gieße doch kein Öl ins Feuer.“ Hier werde eine Verharmlosung betrieben, kommentierte umgekehrt der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, gegen die man in Zukunft verstärkt angehen müsse. Ute Scheub
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