: Naiver Fortschrittsglaube
■ betr.: "Vom Regenwald zum Holzschnipsel", taz vom 23.11.92
betr.: „Vom Regenwald zum Holzschnipsel“,
taz vom 23.11.92
Die Zerstörung des Regenwaldes kann nicht oft genug angeprangert werden. Wenn aber Ute Schaffer und Norbert Suchanek dabei der Logik folgen, aus der solche Zerstörungen geboren werden, ist der Schaden, den sie mit ihrem Artikel anrichten, größer als der Nutzen.
Die Logik: Die Papuas, die in und vom Regenwald leben, sind arm und „unterentwickelt“ und lassen sich deshalb von irgendwelchen japanischen Holzkonzernen ihren Wald abkaufen. Außerdem sind sie auch noch unwissend, denn sie sehen die Zerstörungen nicht voraus, die dem Wald damit drohen. Also müssen sie „aufgeklärt“ werden – mit Fotos von schon zerstörten Waldflächen oder gar durch Hubschrauberflüge über solche Gebiete. Eine schöne Gelegenheit, ihnen die Überlegenheit westlicher Technik vor Augen zu führen und zu demonstrieren, daß man mit dieser Technik auch Gutes tun kann.
Und der Armut begegnet man am besten mit der Vermarktung der „primitiven“ Kultur, zum Beispiel durch eine Massenproduktion der traditionellen Basttaschen (natürlich in selbstverwalteten Betrieben oder Kooperativen), die dann in unseren Dritte-Welt-Läden verkauft werden und uns ein gutes Gewissen verschaffen. Daß ein solcher Handel nur floriert, wenn die jahrtausendealte Subsistenzwirtschaft der Papuas zerstört ist und damit ihre Kultur – erst, wenn sie Sinn und Funktion des Geldsystems kapiert haben – und damit erst recht anfällig geworden sind für die Waldeinkäufer und Waldvermarkter –, dieser Gedanke kommt dem Schreiber und der Schreiberin des Artikels offenbar nicht.
Spätestens dann, wenn sie „Papuas Umweltschützer“ mit der Meinung zitieren, die „Dorfbewohner wollten sich weiterentwickeln, forderten bessere Schulen, ein modernes Gesundheitssystem und ein geregeltes Einkommen“, wird die ganze Naivität ihres Fortschrittsglaubens erkennbar und die Arroganz, mit der sie das westliche Lebensmodell als Welteinheitskultur vertreten. [...] Jörg Sommer, Heidelberg
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