Gemeinnutz ganz gemein

■ Hamburg: Die Anpassung des Landesmediengesetzes an die traurige Wirklichkeit

Im Laufe der nächsten Monate wird das hamburgische Mediengesetz novelliert. Grund dafür ist – laut Hamburgischer Anstalt für Neue Medien (HAM), die den Privatfunk kontrolliert – „Anpassungsbedarf an den neuen Rundfunkstaatsvertrag“. Tatsächlich aber besteht „Anpassungsbedarf“ an die von der HAM mitgeschaffene Medienwirklichkeit in Hamburg. Im Vorfeld der Novellierung veranstaltete die SPD-Fraktion Anfang November eine Anhörung. Geladen war alles, was Rang und Namen hatte, neben WissenschaftlerInnen und VertreterInnen von freien Radioinitiativen.

Die HAM präsentierte eine Liste von Änderungswünschen, mit denen die rechtlich äußerst umstrittene Medienpolitik der Anstalt nachträglich legalisiert würde. So möchten die Privatfunkkontrolleure nach eigenem Ermessen Ausnahmen von der Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung von Frequenzen machen. Damit will sie Stützfrequenzen, das sind Frequenzen mit nur geringer Reichweite, Radiostationen zuteilen, die bereits über eine Frequenz verfügen. Darin hat die HAM nämlich Übung, hat sie dieses Verfahren doch bereits vor zwei Jahren mit „OK Radio“ praktiziert, die seitdem im Osten Hamburgs besser zu empfangen sind – nur ohne rechtliche Grundlage.

Sendern, die über eine Frequenz verfügen, die nicht von der HAM zugeteilt wurde, sondern von einer anderen Landesmedienanstalt, soll, nach Willen der HAM, ohne öffentliche Ausschreibung eine regionale Frequenz zugeteilt werden können. Auch hier ein bereits erprobtes Verfahren, sendet doch der Bertelsmannsender „Klassikradio“ seit längerem auf der Frequenz 98,1 MHz, die nach eben diesem Verfahren vergeben wurde.

Vollends auf Unverständnis stieß bei den Stadtteilradio-Initiativen die Forderung der HAM nach Streichung des fünften Abschnittes im Mediengesetz. Dieser sieht die Möglichkeit des „gemeinnützigen Rundfunks“ in Hamburg vor, ein Relikt aus einer heftigen Kontroverse um das bisherige Mediengesetz aus dem Jahre 1985. Für die Medienbürokraten macht die Streichung Sinn, könnten sie im Anschluß daran die beiden gemeinnützigen Sender OK Radio und „Jazz Welle plus“ zu „normalen“ Privatsendern umwidmen. Auch dies wäre lediglich eine Anpassung an die Wirklichkeit, denn beide Sender erfüllen die im Mediengesetz vorgeschriebenen Kriterien der „Gemeinnützigkeit“ und der „Stadtteilorientierung“ in keiner Weise.

Alternativ zur Streichung des fünften Abschnittes schlägt die HAM vor, den Abschnitt über gemeinnütziges Radio nur noch auf Frequenzen anzuwenden, die nur in Teilen Hamburgs zu empfangen sind. Der HAM-Vorschlag kommt aber in der Praxis ebenfalls einer Streichung gemeinnützigen Radios gleich, denn keine BetreiberIn eines derartigen Senders wäre – aufgrund der geringen Reichweite – überlebensfähig.

Daß gemeinnütziges Radio – bislang von den Verantwortlichen in Hamburg nicht ernsthaft gewollt – nicht durch Werbung zu finanzieren sind, war unter allen Anwesenden Konsens. Auf andere Möglichkeiten verwiesen die VertreterInnen von Hamburgs alternativem Radioverband, der AG Radio. So könnte solchen alternativen Sendern etwa die hohe Postgebühr für Sendeanlagen erlassen werden; kommerzielle Sender könnten zu einer Ablaßgebühr zur Finanzierung der kleinen gemeinnützigen Sender gezwungen werden. Solcherlei Radiostationen existierten seit Jahren erfolgreich in Freiburg und Zürich, beide kämen ohne Werbung aus. In der übrigen Welt, so die AG-Leute, „gibt es in jeder Ortschaft ein vergleichbares Projekt“. Martin Busche/Marcel Stötzler

Die AG Radio, Zusammenschluß der Hamburger Radio-Initiativen, trifft sich am Samstag ab 10.30 Uhr in der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) zur Tagung „Probleme und Perspektiven nichtkommerzieller Radios“.