Versuchter Staatsstreich in Venezuela

■ Putschversuch gegen Präsident Perez angeblich gescheitert/ Kämpfe in der Hauptstadt Caracas, Präsidentenpalast von Düsenjägern bombardiert/ Fernsehsender von rebellierenden Soldaten besetzt

Caracas (AP/AFP) – Zwei Wochen vor den Präsidentenwahlen ist in Venezuela am Freitag offenbar ein Putschversuch vereitelt worden. Am Morgen hatte Oberst Hugo Chavez, der bereis im Februar einen Putschversuch unternommen hatte, im staatlichen Fernsehen erklärt, er habe die Macht übernommen und werde von der Mehrheit der Militärs unterstützt. Wenig später trat Präsident Carlos Andres Perez vor die Fernsehkameras und bezeichnete den Staatsstreich als gescheitert. Perez zufolge hatten Putschisten die Wachen des Präsidentenpalastes angegriffen. Bei dem anschließenden Feuergefecht seien drei regierungstreue Soldaten verwundet und eine unbekannte Anzahl abtrünniger Militärs getötet worden.

„Heute morgen hat es einen Umsturzversuch gegeben“, sagte Perez. Regierungstreue Streitkräfte hätten das Gebäude des Fernsehsenders zurückerobert, das die Putschisten besetzt hatten. Er rief die Bevölkerung auf, ihn zu unterstützen. Laut Perez haben die Putschisten außerdem einen Militärflugplatz und Teile der Luftwaffe in ihre Gewalt gebracht. Mindestens eine Hauptverkehrsstraße in Caracas wurde von Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen kontrolliert, wobei unklar blieb, welcher Seite sie angehörten. Der Präsidentenpalast wurde am Vormittag von einem Flugzeug bombardiert, das vermutlich von den aufständischen Militärs geflogen wurde. Nach Angaben von Korrespondenten vor Ort entstand ein großes Feuer. In der Nähe des Palastes hatten sich mehr als hundert Personen versammelt und ihre Unterstützung für die Putschisten bekundet. Die Demonstranten ergriffen bei dem Angriff die Flucht.

Zuvor hatte Chavez erklärt, der Staatsstreich werde von der Mehrheit des Militärs unterstützt. Eine Reihe von Demonstrationen in jüngerer Zeit habe gezeigt, daß die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr hinter Perez gestanden habe, sagte Chavez weiter. Er rief seine Landsleute dazu auf, Ruhe zu bewahren und ihre Unterstützung für ihn zu bekunden. Ein ungenannter anderer Offizier forderte seine Kameraden auf, ihre „falsche Haltung“ aufzugeben und spielte damit offenbar auf Widerstand gegen den Umsturzversuch in den Reihen des Militärs an.

Während das staatliche Fernsehen die Ansprache des Präsidenten über das Scheitern des Putschversuchs ausstrahlte, sendeten die Truppen um Chavez weiterhin Botschaften über andere Rundfunk- und Fernsehkanäle. Bei den Übertragungen waren Schüsse zu hören, und in einem Bildbericht aus einem von den Putschisten besetzten Fernsehstudio waren zwei Leichen zu sehen. Wo Perez sich aufhielt, blieb zunächst unklar.

Unterdessen stellte sich die parlamentarische Opposition hinter den sozialdemokratischen Präsidenten. Der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Partei, Eduardo Fernandez, verurteilte den Staatsstreich in einer Rundfunkansprache. „Wir sind nicht glücklich mit dieser Regierung, nicht einmal mit dieser Form der Demokratie, die wir haben, aber wir können uns nicht wie Wilde aufführen. Wir sind ein zivilisiertes Volk“, sagte Fernandez.

Im Februar dieses Jahres war Venezuela schon einmal Schauplatz eines gescheiterten Staatsstreichs gewesen, in dessen Verlauf Perez hätte getötet werden sollen. Dabei waren mehrere Menschen ums Leben gekommen. Die Putschisten wurden anschließend ergriffen und inhaftiert. Das angeschlagene Ansehen des Präsidenten in der Bevölkerung war danach nicht etwa gestiegen, sondern noch weiter gesunken. Seine Beliebtheit beläuft sich Umfragen zufolge derzeit auf neun Prozent.