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Lokalkoloratur: Matthäus Friedrich Chemnitz

LOKALKOLORATUR

Es ist, lieber Nachbar, wirklich ein Kreuz mit den Straßennamen und der Umbenennung derselben. Und es ist ein Kreuz mit den Hamburg-Patrioten in der taz-Lokalredaktion, die nichts unversucht lassen, um den Exil-Schleswig-Holsteinern im annektierten Altona eins auszuwischen. So auch unlängst, als es dieser ignoranten Fraktion wieder einmal gelang, den Namen Chemnitzstraße mit der Stadt Chemnitz in Verbindung zu bringen, jener Kommune, die vorübergehend den Namen des Karl Marx trug. Alles nur, um das Andenken unseres Matthäus Friedrich Chemnitz zu schmälern, ja, ihn gar aus dem Gedächtnis zu streichen. Infam! Nur weil sie keinen Matthäus Friedrich haben! Sie haben ja nicht mal einen Bogislaw Philipp (von) Chemnitz, der unter dem Decknamen Hippolithus a Lapide gegen das Haus Habsburg polemisierte und allerheftigst für die Selbständigkeit der Reichsstände plädierte und schließlich, im Jahre 1644 nämlich, zum schwedischen Reichshistoriographen avancierte. Und einen Martin Chemnitz haben die Hamburger auch nicht, der hundert Jahre zuvor als lutherischer Superintendent in Braunschweig „Konkordienformeln“ produzierte und irgendwie sowas wie die Quersumme aus Schwäbischer Konkordie, Schwäbisch-Sächsischer Konkordie, Maulbronner Formel und Torgischem Buch zustande brachte. Ein heller Kopf also, dieser Martin! Unser Matthäus Friedrich aber ist unverwechselbar — der Schöpfer auch dieser Zeilen: „Teures Land, du Doppeleiche unter einer Krone Dach, stehe fest und nimmer weiche!“

Unverkennbar der Schöpfer unseres, ja, unseres Schleswig-Holstein-Liedes: „Schleswig-Holstein, meerumschlungen...“ Lieber Nachbar, wir sind Brüder im Geiste im Gedenken an unseren Matthäus Friedrich, geboren am 10. Juni 1815 zu Barmstedt und verstorben am 15. März 1870 in Altona. Sein Grabstein in Form eines „Gedencksteines“ steht, unübersehbar, auf dem alten Altonaer Friedhof an der Wohlers Allee. Dies alles sollte nicht ungesagt bleiben, und, lieber Nachbar, eine einzige schöne Träne in Eurem Auge wird uns trösten, wird die Wunden heilen, die der kalte Tadel unempfindlicher Hanseaten uns schlug! Denn, nicht wahr: „Schleswig-Holstein meerumschlungen handelt nu mit Ossentungen vun Herrn Pastor sien Koh!“ jo

Bei Bedarf liefern wir gerne weitere Arien über Sven Gabelbart, Harald Blauzahn, Gorm den Alten, Knud Laward, Uwe Jens Lornsen oder Dr. Uwe-Uwe Barschel.

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