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Mit Kanonen auf Glatzen Von Mathias Bröckers

Nach Hoyerswerda haben wir an dieser Stelle einen symbolischen Trupp Bundeswehr für jede Asylunterkunft gefordert; nach Rostock haben wir gefragt, wozu Spezialeinheiten wie die GSG 9 eigentlich eingesetzt werden, wenn nicht jetzt zum Schutz von Ausländern und Flüchtlingen; heute, nach Mölln, bleibt einem angesichts der Ignoranz der Regierenden nur noch die Spucke weg. In Eberswalde, einer Kleinstadt nordöstlich Berlins, die durch die Brutalität ihrer Rechtsradikalen schon zu trauriger Berühmtheit gelangte, brannte am Wochenende ein Asylheim nieder. In der Vergangenheit waren mehrfach Drohungen bei der Polizei eingegangen, daß das Objekt der lokalen Fascho-Szene ein Dorn im Auge war. Es wurde wie angekündigt abgefackelt – und Polizei und Behörden zucken hilflos die Schultern. Wieso, fragt man sich da, gibt's eigentlich eine Bundeswehr, wozu lungert in den Kasernen im Lande diese „tolle Truppe“ eigentlich herum? Um auf Staatskosten tagsüber Panzer zu polieren und sich abends die Hucke vollzusaufen? Wozu verschlingt dieser Verein jährlich Milliardenunsummen – nur um als Strohmann für die Rüstungsindustrie Waffen zu kaufen/zu verschrotten, zu kaufen/zu verschrotten? Es geht nicht darum, mit Kanonen auf Glatzen zu schießen, es geht um etwas ganz Simples: den Artikel1 des Grundgesetzes, die Unversehrtheit von Leib und Leben zu garantieren. Wenn Polizei und Justiz dazu nicht in der Lage sind – und dies ist offensichtlich – dann muß eben die Armee ran. Das ist in jeder Bananenrepublik so und es gilt auch hier, wo die Bundesrepublik mit ihren Bananen 17 Millionen Wirtschaftsflüchtlinge angelockt hat. Und warum wurden die Waldlaufstrecken für Wehrpflichtige nicht schon längst um gefährdete Container-Dörfer verlegt? Warum rollt nicht mit Einbruch der Dunkelheit vor jedem Asylheim ein Trupp Soldaten zur Nachtübung an? Warum wird über Blauhelm-Ausflüge bis zum Arsch der Welt diskutiert, wo Mord und Terror gleich um die Ecke nach einem Einsatz als Friedenstruppe geradezu schreien? Sollte das etwa damit zu tun haben, daß man für ersteres Hunderte Jäger90 braucht, für letzteres aber nur ein größerer Posten Baseballschläger in den Beschaffungslisten zu Buche schlägt? Für den Schutz gefährdeter Asylunterkünfte braucht es dummerweise keine teuren Kampfbomber, sonst hätte man das Geschäft ihrer Verteidigung wahrscheinlich schon längst aufgenommen – die einfache Präsenz der Verteidigungsmacht würde völlig ausreichen, um potentielle Angreifer abzuschrecken. Es wäre der erste sinnvolle Einsatz der doch zum Zwecke der Landesverteidigung gegründeten Bundeswehr, denn zu keinem Zeitpunkt war dieses Land gefährlicheren Angriffen ausgesetzt als heute. Daß es sich nicht um bolschewistischen Bombenhagel, sondern um faschistischen Kleinkrieg handelt, ändert nichts am Verteidigungsfall. Die Ursachen dieses Kriegs kann auch die tollste Truppe nicht beseitigen, die epidemischen Symptome aber können schlagartig eingedämmt werden. Und um nichts anderes geht es, wo das Theater der Politikdarsteller in Bonn mittlerweile nahezu täglich mit Menschenleben bezahlt wird.

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