: Mauerkunst auf wackligem Boden
■ Architekturwettbewerb für das Gebiet um den Hauptbahnhof entschieden / Gezerre um die East-Side-Gallery geht weiter / Mauerkunst steigert Marktwert
Als die Mauer gebaut wurde, waren die beiden Gewinner des von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgelobten Ideenwettbewerbs, über das Gebiet Hauptbahnhof/Spreeufer noch gar nicht geboren. Jetzt haben die beiden Berliner Architekten, Julia Tophof, 30 Jahre, und Norbert Hemprich, 31 Jahre, sich mit ihrem Konzept unter 64 Teilnehmern aus ganz Deutschland und dem Ausland durchgesetzt. Und dies mit einem Modell, in der die einzig geschlossenen Reste der einst 141 Kilometer langen Mauer, nämlich die East-Side Gallery, nicht vorkommen. Nach ihren Vorstellungen sollen die 106 bemalten Segmente an der Mühlenstraße demontiert und auf einem auf Pontons schwimmenden Park in der Spree aufgestellt werden. So könne symbolisiert werden, meinte Norbert Hemprich, daß „vor der Geschichte“ das Todessymbol Mauer nur auf einem „wackligen“ Boden Bestand haben kann. Diesen „spielerisch verfremdeten“ Effekt fand das Preisgericht nicht sehr überzeugend. Trotz dieses Mankos aber, so erklärte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) gestern bei der Vorstellung des preisgekrönten Entwurfs, sei es den beiden jungen Architekten am besten gelungen, einen „attraktiven Bahnhofsbereich zu entwerfen und das Spreeufer in Friedrichshain zu beplanen“. Der engere Bereich um den Hauptbahnhof, den Hassemer konsequent „Schlesischen Bahnhof“ nannte, betone durch „hängende Wasserplätze“ und Gärten das Gefälle zur Spree.
Neue Hafenbecken am Ufer lockern das Gelände auf. Vier Blöcke mit Geschäften und Kinos in den Untergeschossen und Büros und Wohnungen darüber betonen den Platzcharakter zwischen Bahnhof und Stralauer Straße. Nördlich des Bahnhofs soll das Gelände durch Neubebauung verdichtet, das Gleisgelände durch Wohnungen und Büros eingeengt werden. Am Spreeufer finden sich Freizeitflächen sowie ebenfalls Büro- und Wohnhäuser.
Mit am besten gefiel Hassemer, daß der mit 76.000 Mark preisgekrönte Entwurf durch den Neubau von zerstörten Spreeübergängen die enge Verbindung von Kreuzberg und Friedrichshain herausstreiche.
Mit dem Entwurf könne man gut leben, meinte auch der Bürgermeister von Friedrichshain, Helios Mendiburu (SPD). Ihm passe allerdings nicht, daß das Preisträgerpaar keinen Fußweg direkt an der Spree entlang geplant habe. Auch die schwimmende East-Side Gallery überzeuge ihn nicht. Viel besser habe ihm ein anderer Entwurf, nämlich die Mauersegmente in Form eines Labyrinths und am traditionellen Ort, gefallen. Auch den von Hassemer gelobten Vorschlag, die Gallery unter einen Winkel von 45 Grad in einen offenen Graben zu legen und sie damit für Fußgänger „erlebbar“ zu machen, finde er „interessant“.
Keinen Zweifel ließ Hassemer gestern, daß er die vergangene Woche für Aufregung sorgende Idee, die East-Side Gallery in die Wuhlheide zu verpflanzen, für unbrauchbar hält. „Jeder Investor müßte uns erschlagen, wenn wir dieses Erkennungszeichen von dort wegverlagern.“ Die Restmauer, so hieß seine Botschaft, erhöhe den Marktwert des Areals beträchtlich. Dabei „werde es nicht um jeden Meter oder jeden Stein, aber um die Substanz der Galerie gehen“. Derzeit werde die Zukunft der Gallery im Kulturausschuß besprochen, die städtebaulichen Vorschläge seiner Behörde sollen aber berücksichtigt werden. aku
Sämtliche Wettbewerbsbeiträge können bis zum 23. Dezember in der Jebenstraße 2 besichtigt werden.
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