piwik no script img

Bürger gab Hinweis auf Möllner Täter

■ Der mutmaßliche Mittäter Lars Christiansen schnitt sich im Lübecker Gefängnis die Pulsadern auf/ Er ist außer Lebensgefahr/ Weitere Angriffe auf Asylbewerberheime, weitere Festnahmen und Verhaftungen

Karslruhe/Berlin (dpa/ AFP/AP) – Einer der beiden Täter der Mordanschläge von Mölln, der 19jährige Rechtsextremist Lars Christiansen, hat in der Nacht zum Mittwoch in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Lübeck einen Selbstmordversuch unternommen. Das bestätigte der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Förster, auf Anfrage. Christiansen habe sich die Pulsadern aufgeschnitten. Er befinde sich außer Lebensgefahr.

Förster erläuterte weiter, daß der entscheidende Hinweis zur Ergreifung der beiden mutmaßlichen Täter von Mölln von einem Bürger gekommen sei. Der „unmittelbare Tatzeuge“, von dem die Behörde bislang gesprochen hatte, ohne weitere Einzelheiten zu nennen, sei „kein Mittäter und kein Kronzeuge“, sondern ein „aufmerksamer Bürger aus der Bevölkerung“. Förster betonte ausdrücklich, daß seine Behörde den Namen des Zeugen nicht offenbaren werde. Ihm gebühre aber im wesentlichen der Dank für die Aufklärung der Tat.

Dieses Beispiel zeige, wie wichtig die Aufmerksamkeit und Mithilfe der Bevölkerung bei der Verfolgung dieser Täter sei. Zu der Frage, ob und wann der Zeuge die ausgesetzte Belohnung in Höhe von insgesamt 150.000 Mark ausgehändigt bekommt, wollte Förster sich nicht äußern.

Unterdessen gehen die Angriffe gegen Ausländer in Deutschland weiter. Nach einem Überfall von etwa 30 Jugendlichen auf das Asylbewerberheim im Magdeburger Stadtteil Werder hat die Polizei am Dienstag abend acht Jugendliche vorläufig festgenommen. Vier von ihnen seien wegen dringenden Tatverdachts noch in Polizeigewahrsam, hieß es gestern morgen. Unter den Jugendlichen befanden sich auch mehrere Mädchen. Im Heim seien mit Steinen mehr als 30 Fensterscheiben zertrümmert worden. Personen wurden nicht verletzt.

Hintergrund des Überfalls waren nach Angaben der Polizei Auseinandersetzungen zwischen den Jugendlichen und den Asylbewerbern – überwiegend Afrikaner – am 26. November gewesen.

Wegen Anschlägen auf Heime für Asylbewerber sowie Aus- und Übersiedler in Hessen sind am Mittwoch Haftbefehle gegen zwei junge Männer erlassen worden. Ein 19jähriger soll mehrere Schüsse auf ein Asylbewerberheim in Hungen (Kreis Gießen) abgefeuert haben; einem 16jährigen wird angelastet, an Brand- und Sprengstoffanschlägen auf ein Aus- und Übersiedlerheim in Gemünden-Niedergemünden (Vogelsbergkreis) beteiligt gewesen zu sein. Wie ein Polizeisprecher berichtete, wird der 19jährige der rechtsradikalen Szene zugeordnet. Die Staatsanwaltschaft werfe ihm versuchten Mord in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung vor. Der Haftbefehl gegen den 16jährigen enthält laut Polizei die Vorwürfe versuchte Brandstiftung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Herbeiführen einer Explosionsgefahr.

Bundesjugendministerin Angela Merkel rief alle Bürger dazu auf, gegen Lieder mit rechtsradikalen Texten Anzeige zu erstatten. In einem ersten Schritt könnten diese Titel auf den Index der ihrem Ministerium unterstellten Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften kommen. Dann gebe es noch die Möglichkeit, die Lieder wegen Volksverhetzung gemäß Paragraph 130/131 des Strafgesetzbuches anzuzeigen.

Insgesamt sechs Nazi-Rock- Langspielplatten sind nach Angaben des Bundestagsabgeordneten Roland Sauer inzwischen von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert worden, teilweise auf Vorschlag des Abgeordneten. Dazu gehörten Platten der Gruppen „Störkraft“ (Andernach), „Endstufe“ (Bremen), „Noie Werte“ (Stuttgart), „Kahlkopf“ (Oberursel) und „Sperrzone“ (Bruchsal). Vertrieb und Werbung für die indizierten Langspielplatten sei damit verboten. Die Texte dürften auch nicht mehr auf Veranstaltungen gesungen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen