piwik no script img

Die Wirtschaft soll sich sozial engagieren

■ GAL-Hearing zur Sozialpolitik: Privatsponsoring soll den Sozialstaat ergänzen / Mehr Rechte für Stadtteilkonferenzen

: Privatsponsoring soll den Sozialstaat ergänzen / Mehr Rechte für Stadtteilkonferenzen

Die GAL sucht nach neuen Perspektiven der Entstaatlichung von Sozialpolitik. Auf einem Expertenhearing, auf dem die VertreterInnen von 30 sozialen Einrichtungen, Wirtschafts- und Behördenvertretern erschienen waren, forschten die Grün-Alternativen nach Möglichkeiten einer neuen Aufgabenteilung zwischen Staat, Freien Trägern und privaten Unternehmen im sozialen Bereich. Fazit der Veranstaltung: Die Wirtschaft muß sich finanziell mehr engagieren, Stadtteilkonferenzen sollen mit Geld und Kompetenzen ausgestattet werden, der Staat aber darf nicht aus der Verantwortung für die Sozialpolitik entlassen werden.

Public-Private-Partnership heißt die Perspektive, die den „sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat“ zumindest ergänzen soll. Da die staatliche Sozialpolitik immer stärker im Bürokratismus ersticke und die Armut verfestige, sei die Wirtschaft gefragt. Die Sozialhilfe allein könne das ständig wachsende Armutspotential der Hansestadt nicht mehr auffangen.

Die Vorschläge der Hearing-Teilnehmer reichten von einem von Privatunternehmen eingerichteten Finanzpool zum Sponsoring sozialer Projekte, bis hin zu Maßnahmen, die leistungsschwächere Jugendliche ins Berufsleben integrieren helfen. Da Firmen qualifizierte Arbeitskräfte brauchen, liege es auf der Hand, daß sich neu ansiedelnde Unternehmen Wohnraum und Kindertagesheimplätze für ihre Angestellten gleich miterrichteten.

Ansätze in diese Richtung gibt es bereits. So plant eine Hamburger Versicherungsgruppe die Gründung eines „Hanse Forums“. Das Netzwerk regionaler Unternehmen soll Konzepte entwickeln und Gelder bereitstellen, um sozialen und ökologischen Problemen frühzeitig zu begegnen.

Neben der Einbindung der Wirtschaft ist nach Meinung der ExpertInnen auch eine Modernisierung der Hamburger Verwaltungsstrukturen gefragt. So müßten vermehrt Stadtteilkonferenzen eingerichtet werden, die selbständig und basisnah vor Ort Mittel für soziale Stadtteilprojekte ausschütten könnten. In dieser Richtung müßte die geplante Bezirksverwaltungsreform Akzente setzen.

Auch wenn die Wirtschaft verstärkt in die (finanzielle) Verantwortung für die Lösung sozialer Probleme einbezogen werden soll, muß die Sicherung eines Existenzminimums nach Meinung der GAL doch eindeutig beim Staat bleiben. So fordern die Grün-Alternativen die Einführung „eines Basiseinkommens zu deutlich höheren Sätzen als bisher“, um „den demütigenden Charakter von Sozialhilfebezug zu beseitigen“. Der Staat dürfe auch bei verstärktem privaten Engagement nicht aus der Verantwortung entlassen werden.

Auf die Frage, wie sichergestellt werden kann, daß die Politik in Zeiten knapper werdender Haushaltsmittel ein verstärktes Engagement der Wirtschaft im Sozialbereich nicht dazu nutzt, selbst finanziell kürzer zu treten, konnte allerdings auch die GAL keine befriedigenden Antworten geben. Marco Carini

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen