piwik no script img

Was gegen Stufen-Schulzentren spricht

■ Schuldebatte: Interview mit einem Lehrer, der in Obervieland und Huckelriede unterrichtet

Hans-Heinrich Hedemann ist seit 1968 am Gymnasium, später Sek-II-Schulzentrum Huckelriede und seit 15 Jahren auch am Sek-I-Schulzentrum Obervieland Lehrer für Latein, Geschichte und Politik. Er kennt beide Schulen, über deren Schicksal in den kommenden Tagen die Ampel-Koalition entscheiden will: Ausbau von Huckelriede zu einem durchgehenden Gymnasium oder Verlegung der Gy-Klassen an das Sek- I-Schulzentrum Obervieland?

taz: Wenn die Gy-Klassen aus Huckelriede nach Obervieland verlegt würden, hätten Sie zumindest weniger Fahrzeiten...

Hedemann: Das ist ein organisatorisches Problem. Die „Pendelstunden“ zwischen Sek-I-und Sek- II-Schulen machen insgesamt in Bremen vielleicht 20, 30 Lehrerstellen aus. Aber das ist nur die ökonomische Sichtweise...

Und die pädagogische Sichtweise?

Ich gehöre zu denjenigen, die sich vor einigen Jahren in Huckelriede stark für die Trennung in Sek-I und Sek-II-Zentren eingesetzt haben. Ich sehe aber inzwischen, daß die Nachteile dieser Trennung so gravierend sind, daß ich heute aus pädagogischen Gründen für die Zusammenlegung von Sek-I und Sek-II bin.

Was waren damals die Gesichtspunkte?

Soziale Kriterien. Das Zusammensein von Schülern unterschiedlicher Schularten, vom Gymnasiasten bis zum Sonderschüler, sollte eine andere Art von gegenseitigem Lernen ermöglichen. Defizite, denen der Gymnasialschüler nicht ausgesetzt sind, sollten ausgeglichen werden. Das setzt aber mehr als ein additives Zusammensein voraus. Intensives Bemühen um Integration sind aber nicht da. Das soziale Lernen, das es gibt, ist Folge des Engagements von einzelnen Lehrern und hat nichts mit der Schulstruktur zu tun.

Welche Nachteile hat die Trennung in Sek-I und Sek-II?

Die Brüche an der Nahtstelle von Klasse 10 und 11 sind gravierend. Die Schulen driften außerordentlich weit auseinander.

Ein Gymnasium Huckelriede wäre „small“. Auch „more beautiful“?

Das ist einer der Fragen, wo ich mich in der Vergangenheit geirrt habe. Ein durchgänges Gymnasium ermöglicht in Bereichen wie Musik, Theater, oder Schülerzeitung Aktivitäten, die schon in der Mittelstufe wachsen müssen. Kontinulierliche Arbeit ist bei den Brüchen der Schulzentren ist derzeit nicht möglich.

Gibt es auch pädagogische Gründe für das kleine Gymnasium Huckelriede?

Das Schulzentrum Obervieland hat wirklich außerordentlich schwere sozialen Probleme. In der Deputation ist beschlossen worden, das Schulzentrum Obervieland zu einer Betreuungsschule zu machen, d.h. mehr Mittel bereitzustellen, um die sozialen Probleme dort aufzufangen. Das halte ich für dringend geboten.

SPD und auch zum Teil die Grünen sperren sich gegen die Gymnasien. Sie sagen, die Gymnasialschüler seien in unserer Gesellschaft genug gefördert, es gehe mehr um die anderen.

So pauschal kann man das nicht sagen. Wenn man das meint, dann muß man nicht an dieser Stelle Gymnasialschüler benachteiligen, sondern dann muß man speziell für diese Gruppen wirkliche Hilfen anbieten. Nicht aber in der Weise, daß man die Gymnasialarbeit behindert.

Wieso wird die Gymnasialarbeit im Schulzentrum Obervieland behindert?

Die besondere Struktur des Schulzentrums führt dazu, daß eine gymnasiale Arbeit beeinträchtigt wäre. Die gespannte soziale Lage würde erfordern, daß man sich sehr intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzen müßte auf Kosten einer fachlichen Qualifikation. Es gibt Kollegen, die sagen: Das ist uns so wichtig, das sind eben andere Lernerfahrungen an einem sozialen Brennpunkt. Ich teile diese Auffassung nicht. Gesellschaftlich sinnvoll zu handeln setzt auch eine hochqualifizierte Ausbildung voraus. Das liegt im Interesse der Person wie auch im Interesse der Gesellschaft. Int.: K.W.

Am Samstag lesen Sie ein Gespräch mit einem Lehrer aus dem Schulzentrum Obervieland.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen