■ Eine eigene Partei für jedes Partikularinteresse
: Und wo bleiben die Frauen?

Noch sind sich die Auguren, wissenschaftliche und populistische, nicht einig, ob die kleinen Gruppen, die derzeit aus dem Zerfall der großen Parteien entstehen, nur eine „Übergangserscheinung“ sind oder die Auflösung der bisherigen Art demokratischer Systeme bedeuten. Doch soviel ist sicher, wohin man auch blickt, für alle und alles gibt es eine Heimat: für Regionalisten und für Pensionisten, für Automibilisten und Sexisten, für Raucher und für die Verteidigung der Alpenhänge gegen Skilifts. Nur eine akzentuiert auf Frauen ausgerichtete politische oder auch nur vorrangig auf sie bezogene Partikularvertretung, die gibt es nicht.

Gewiß, es gibt Frauenverbände und auch aus den 68er Jahren überkommene militante Gruppen. Doch gerade sie verschmähen es ausdrücklich, politische Vertretungen, etwa gar noch im Parlament, aufzubauen. Lassen sich Frauen nicht vertreten? Oder haben sie keine Partikularinteressen?

Ich frage mich jedenfalls angesichts der Manifeste all der neuen Gruppen und Grüppchen: Wo ist das Programm, das wenigstens ansatzweise versucht, für Frauen das herauszuholen, was Rentner und Sexisten, Raucher und Ferrari-Eigner ganz selbstverständlich erreichen – mit der simplen Drohung, bei den nächsten Wahlen wenn auch nicht ins Parlament zu kommen, aber doch durch eigene Listen ein paar zehntausend Stimmen abzuziehen.

Ich meine das weder zynisch noch satirisch, vermute aber, daß ich fast automatisch diesen Eindruck erwecke – so fern ist uns Frauen der Gedanke bereits, uns selbst zu vertreten.

Viele von uns sind wohl auf dem langen Marsch durch die Institutionen. Gerade sie haben inzwischen frustreich erkennen müssen, daß sie alleine schon bis zur Herstellung einer einzigen Allianz quer durch die Reihen (wie bei der Abtreibungsfrage) faktisch ihre ganze Energie verbrauchen. Da sie eben nicht aufgrund ihres eigenen, autonomen Gruppenauftrags handeln, müssen sie sich erst durch die unsäglichen (überdies von Männern dominierten) Parteiapparate hochdienen und -wühlen, bis sie auch nur die kleinste Selbstverständlichkeit sagen und dabei auch noch Gehör finden können.

Worauf warten wir also? In einer Zeit, in der die großen Machos in allen Parteien nur noch zellulitishaltige Sprechblasenblubberer sind, müßte es doch möglich sein, die Stimme der Frauen auch außerhalb von lächerlichen Quotierungen und noch lächerlicheren Spielwiesen im letzten Teil der Parteiprogramme unüberhörbar zu machen. Dabei kommt es weniger darauf an, ob wir damit auch schon den Stein der Weisen gefunden haben, sondern vor allem darauf, zu sagen: Unsere Interessen vertreten wir selber, niemand anderer. Joke De Jong

Die Autorin, Holländerin mit Wohnsitz in Italien, ist Psychotherapeutin und arbeitet mit italienischen Frauenverbänden zusammen