Ausbeutung-betr.: "Grober Keil" von Siegfried Kohlhammer, taz vom 30.11.92

Betr.: „Grober Keil“ von Siegfried Kohlhammer,

taz vom 30.11.92

Im Ausbeutungsbegriff von Karl Marx sind die sexuelle Ausbeutung und die Ausbeutung der (Haus-)Frauen nicht enthalten. Also folgert Siegfried Kohlhammer, sonst dem Marxismus fernstehend, gibt es so etwas nicht. Karl Marx hat nicht etwa darauf verzichtet, die Lage der Frauen theoretisch zu erfassen, weil er sich sonst mit sich selbst als Ausbeuter hätte auseinandersetzen müssen. Nein: wenn politische Analyse solche Begrifflichkeit verwendet, gehen Präzision und kritische Potenz verloren, werden durch Gesinnung und Geschwafel wettgemacht, schreibt Kohlhammer.

Den Vorwurf der gedankenlosen Verwendung des Begriffes „Ausbeutung“ am Beispiel der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung von (Haus-)Frauen richtet Kohlhammer merkwürdigerweise nicht gegen die FrauenLesbenbewegung und deren Theorie. Dieser Vorwurf findet sich in seiner Antwort auf Elmar Altvaters Kritik an dem „Merkur“-Band „GegenModerne?“ in der taz vom 6.11. 92. Wenn's darum geht, die eigene (kritische) Potenz unter Beweis zu stellen, braucht Kohlhammer offensichtlich die Feministinnen, müssen auch die eins aufs Dach kriegen. Da spielt es keine Rolle mehr, welche Haltung Elmar Altvater gegenüber dem Feminismus einnimmt, daß es in der taz- Kontroverse um die Dritte Welt geht und nicht um das Geschlechterverhältnis.

Doch die Analogie zur Dritten Welt bietet sich an: Wenn es vier bis fünf Prozent Frauen schaffen, an die dicksten Zwiebeln zu kommen, das heißt in die höchsten Etagen des Weiße-Herren-Clubs Wissenschaft aufzusteigen, dann, so wird Siegfried Kohlhammer sicher schlußfolgern, sind Begriffe wie Männerherrschaft, Männergewalt, Patriarchat, Frauenunterdrückung und -ausbeutung nichts anderes als Geschwafel.

Wie wäre es, Herr Kohlhammer, denn mit einer empirisch und datenmäßig fundierten Analyse, daß bei der Porno-Industrie und beim Dritte-Welt-Sex-Tourismus von der sexuellen Ausbeutung von Frauen keine Rede sein kann? Ich bin überzeugt, die Porno-Produzenten und die Sex-Tourismus- Manager werden es Ihnen danken, hätten sie doch dann endlich schlag(!)kräftige Argumente gegen die Kampagnen der FrauenLesbenbewegung. Bis dahin aber werde ich an der banalen Methode festhalten und einfach zählen, wieviele Frauen und wieviele Männer in Merkur und anderen wissenschaftlichen Zeitschriften zu Wort kommen, um daran Ausmaß oder Abbau von Männerherrschaft zu messen. Gisela Medzeg,

Ludwigshafen/Rhein