: Union will Deutschland gegen Flüchtlinge einmauern
■ Vor dem zweiten Asyl-Marathon am heutigen Samstag beschränken sich die Gemeinsamkeiten auf wenige Punkte/ Sonderstatus für Kriegsflüchtlinge
Bonn (taz) – Heute vormittag beginnt der zweite Asyl-Marathon. Die Verhandlungsführer von SPD, FDP, CDU und CSU unternehmen ihren neuen Anlauf zum Asylkompromiß mit den besten Vorsätzen. Alle wünschen eine Einigung. Zur Sache selbst aber gaben sich die Beteiligten in dieser Woche eher wortkarg.
Die achtzehnköpfige Verhandlungskommission ist im wesentlichen ohne Ergebnis auseinandergegangen. Der Bestand an Gemeinsamkeiten nach der Rundreise durch die Haupt- und Nebenfragen des Asyl- und Zuwanderungsrechts läßt sich schnell aufzählen: Einen besonderen Status für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge wird es geben. Künftig sollen weniger Vertragsarbeiter kommen (derzeit etwa hunderttausend aus Polen, die hauptsächlich in der deutschen Bauwirtschaft arbeiten). Die Sozialhilfe wird für Asylbewerber als Sachleistung gewährt.
Recht klar ist auch, wo wenig bis nichts herauskommen wird. Bei der für die hier lebenden Ausländer so wichtigen Frage der doppelten Staatsbürgerschaft blockiert die CSU alles, erwartet werden können vielleicht maßvolle Einbürgerungserleichterungen. Zum Einwanderungsgesetz, für die SPD wichtiger Teil ihres „Pakets“, könnte es zu Absichtserklärungen von eher atmosphärischem Wert kommen.
Wie eine Einigung beim schwierigen Thema Asyl aussehen könnte, ist nach der ersten Verhandlungsrunde nicht klarer. Zunächst einmal hat sich herausgestellt, daß es die Union wenig interessiert, welche Hierarchien erlaubter und unerlaubter Änderungen des Grundgesetzes der SPD-Parteitag festgelegt hat. Mit den Eckwerten aus dem Innenministerium, an denen sich die Kommissionäre abarbeiten mußten, legte die Union ein für die SPD überraschendes Asylkonzept vor. Danach müßte über eine Grundgesetzänderung gar nicht mehr gestritten werden, weil (fast) kein Flüchtling mehr kommt. Denn das Konzept ist ein nahezu geschlossenes System von Asylauschlußgründen. Als „sichere Drittstaaten“ werden hier verfolgungsfreie Herkunftsländer ebenso wie die Transitländer verstanden. Nicht nur in die westlichen Nachbarländer, was nach Parteitagsbeschluß auch für die SPD tragbar wäre, weil die am Schengener Abkommen beteiligt sind, sondern auch in die Schweiz, nach Österreich, Polen und die CŠFR sollen Flüchtlinge demnach zurückgeschoben werden können. Die Grenzen der gesamten Bundesrepublik wären damit abgedeckt. Man wolle von der Mittellage auch einmal profitieren, soll ein Teilnehmer der Runde gesagt haben. Für Flüchtlinge, die sich (meist dann nach illegaler Einreise) im Land melden, sieht das Papier wiederum striktere Ausschlußregelungen vor.
Der Rechtsschutz wird außerordentlich verknappt. Das Bleiberecht beschränkt sich auf die kurze Frist bis zur Verwaltungsentscheidung. Die auch von der Genfer Flüchtlingskonvention verlangte Einspruchsmöglichkeit mindestens in einer Instanz verlegt die Union ins Ausland. Auch Teile der FDP, so ihr Fraktionsvorsitzender, halten das für tragfähig.
Für die SPD sind die Einbeziehung von Polen und der CŠFR und der de fakto abgeschnittene Rechtsweg allzu hohe Hürden. Sie müßte, will sie ihrem eigenen Beschluß folgen, auf dem Bleiberecht mindestens bis zur ersten richterlichen Entscheidung bestehen. Die Einbeziehung von Polen und der CŠFR ist nicht nur nach der Logik ihrer Beschlüsse unzulässig. Anders als in den Schengen-Vertragsstaaten können Flüchtlinge dort nicht auf ein Verfahren nach den Standards der Genfer Konvention rechnen. Die SPD verlangt mindestens bilaterale Abkommen, die die Polen und Tschechen auf die Einhaltung dieser Standards festlegt. Ganz unabhängig von der Rechtsproblematik besteht aber die Frage, wie Polen und Tschechen für die Flüchtlinge sorgen sollen, von denen sich Deutschland überfordert sieht. Tissy Bruns
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