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Fusion: Fahrplan mit weißen Stellen

■ Unterschiedliche Reaktionen auf Empfehlung der Regierungskommission, bis 1999 ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg zu schaffen / Ungeklärt bleibt vor allem die finanzielle Basis der Fusion

Potsdam/Berlin. Die gemeinsame Regierungskommission Berlin und Brandenburg hat sich grundsätzlich für eine Vereinigung bis zum Jahre 1999 ausgesprochen. Ein Entwurf für einen Neugliederungsstaatsvertrag, der von den Parlamenten gebilligt werden muß, soll bis zum Herbst 1993 vorgelegt werden.

In der gemeinsamen Erklärung werden der Erhalt des Berliner Stadtstaatenprivilegs im Rahmen des Länderfinanzausgleichs und Übergangsregelungen „für kurzfristig nicht abbaubare Teilungslasten Berlins“ gefordert. Die Hauptstadt soll auch nach einer Vereinigung als Einheitsgemeinde erhalten bleiben. Bereits im kommenden Jahr wollen die beiden Länderregierungen Staatsverträge, unter anderem über ein gemeinsames Landesentwicklungsprogramm, abschließen. Die Fusionsempfehlung soll Mitte Januar den beiden Länderkabinetten zur Abstimmung vorgelegt werden. In beiden Ländern soll es einen Volksentscheid geben. Die Länderehe werde erst ratifiziert, wenn alle finanziellen Fragen geklärt seien, hatte Diepgen gesagt. Bisher fehlen Finanzzusagen des Bundes. Die Finanzausstattung der Kommunen soll in einem künftigen Kommunalverfassungsgesetz verankert werden. Zum Streit um den kommunalen Finanzausgleich im gemeinsamen Land heißt es lediglich, daß „alle Zentren“ eine angemessene Finanzausstattung erhalten müßten. Vermögen und Schulden seien zwischen Berlin und Brandenburg aufzuteilen.

Stolpe betonte nach der Sitzung, man sei zwar zu einer „übereinstimmenden politischen Aussage“ gekommen, wolle den Zusammenschluß aber nicht in „überstürzter Weise“. Es bedürfe weiterhin der Klärung offener Fragen. Diepgen sagte, die historische Entwicklung Berlins werde gewahrt, zugleich würden aber die Kompetenzen der einzelnen Stadtbezirke gestärkt.

Die Einigung hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Das brandenburgische Bündnis 90 äußerte sich weiterhin kritisch über die geplante Fusion. Insbesondere die Basis eines Zusammenschlusses, die Finanzierung, sei nach wie vor ungeklärt. Die Vereinigung der Unternehmensverbände beider Länder erklärte, der Zusammenschluß sei Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung der Wirtschaftsregion. Als „zweifelhafte Mogelpackung“ bezeichnete dagegen der regionalpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Peter Tiedt, das Verhandlungsergebnis. Es lägen mehr Fragen als Antworten auf dem Tisch. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne im Berliner Abgeordnetenhaus bezeichnete die Empfehlung zum Zusammenschluß als „Flucht nach vorne“. Es sei nicht zu erkennen, daß „auch nur einer der gravierenden Streitpunkte“ zwischen beiden Ländern geklärt sei. Das Landesentwicklungsprogramm liege weiter auf Eis. Damit drohe der Speckgürtel um Berlin ungebremst zu wachsen. dpa/adn/afp/taz

Siehe auch Stadtmitte auf Seite 23

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