: Fünfter Jahrestag der Intifada
Schwere Auseinandersetzungen im Gazastreifen/ Israelische Soldaten schießen in eine Schulklasse hinein/ Besatzungstruppen in den besetzten Gebieten in Alarmbereitschaft ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
In den israelisch besetzten Gebieten hielten die Palästinenser gestern einen Generalstreik ab, zu dem die „Hamas“-Bewegung aufgerufen hatte. Für sie gilt der 6.Dezember als der Tag, an dem vor fünf Jahren der palästinensische Volksaufstand für die Befreiung von der Besatzung begonnen hat. Die PLO-orientierten Gruppen in den besetzten Gebieten betrachten hingegen den 9.Dezember als den Jahrestag. Ein weiterer Generalstreik folgt also am Mittwoch.
Gleichzeitig wird heute die nunmehr achte Runde der bilateralen arabisch-israelischen Nahostverhandlungen in Washington eröffnet. Vor der Amtsübernahme des neugewählten amerikanischen Präsidenten am 20.Januar 1993 wird allerdings mit keinerlei Fortschritt gerechnet. Der vor mehr als einem Jahr in Madrid begonnene Friedensprozeß hat die bedrängte Lage der Palästinenser in den besetzten Gebieten nicht erleichtert. Nach offiziellen Angaben der israelischen Armee war die Anzahl der Todesopfer bei Zusammenstößen in den besetzten Gebieten im Jahre 1992 wesentlich höher als in den vorherigen Intifada-Jahren. Ein Militärsprecher berichtete, daß in diesem Jahr bisher 11 israelische Zivilisten und 8 Soldaten im Gazastreifen und am Westufer ums Leben kamen. 90 Palästinenser seien von Mitgliedern der Armee getötet worden. Weitere 215 wurden angeblich wegen Kollaboration mit israelischen Sicherheitskräften von ihren eigenen Landsleuten umgebracht. Damit wurden seit Beginn der Intifada nach israelischen Angaben 831 Palästinenser von israelischen Soldaten erschoßen, außerdem kamen insgesamt 19 Soldaten und 29 israelische Zivilisten, vor allem Siedler, ums Leben. Das Palästinensische Menschenrechts-Informationszentrum zählte hingegen bis zum Mai 92 bereits 1.053 Palästinenser, die von Israelis ermordet wurden und knapp 124.000 Verletzte.
Vorgestern wurde in Khan Junis im Gazastreifen ein 15jähriger Schuljunge von israelischen Soldaten erschossen und 30 Palästinenser verletzt. Der Junge wurde in seinem Schulzimmer getroffen, wo auch ein Lehrer und ein anderes Schulkind angeschossen wurden. Angeblich hatten die Kinder aus den Fenstern ihrer Klasse Schimpfworte gegen die Besatzer gerufen. Daraufhin schossen die Soldaten in die Schulfenster. Bei Zusammenstößen am Markt von Khan Yunis wurden weitere Palästinenser verletzt, darunter eine 3jähriges Kind und eine 60jährigen Frau, die von Soldaten angeschossen wurden. Zu Zusammenstößen kam es in drei weiteren Flüchtlingslagern des Gazastreifens. In Erwartung von Unruhen wurde die israelische Armee in besondere Alarmbereitschaft versetzt.
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