: Gaza-Streifen von Israelis abgeriegelt
■ Nach Anschlag auf drei Soldaten reagiert die Armee mit Kollektivstrafen gegen Bewohner der besetzten Gebiete
Tel Aviv (taz) – Während die Palästinenser in den besetzten Gebieten den 5. Jahrestag des Intifada-Beginns gestern mit einem zweiten Generalstreik markierten, haben die Besatzungsbehörden eine totale Abriegelung des Gaza- Streifens auf unbestimmte Zeit angeordnet. Die Abriegelung des Gaza-Streifens, in manchen Gebieten durch Ausgehverbot für die arabische Bevölkerung verschärft, wird mit der Erschießung von drei israelischen Reserveoffizieren und Soldaten auf einer Landstraße im nördlichen Gaza-Streifen begründet. Intensive Suchaktionen sind im Gange, um der Täter oder anderer bewaffneter Widerstandskämpfer habhaft zu werden. Ein Militärsprecher erklärte, im Gaza- Streifen würden „80 Mitglieder bewaffneter Gruppen“ gesucht. Die Hamas-orientierte „Izzadin Kassem“-Gruppe erklärte sich für den Tod der Soldaten verantwortlich.
Nach dem Tod der drei Soldaten stellen jüdische Siedler im Gaza-Streifen fest, die Lage sei „nichts anderes als Krieg“. „Welche Bezeichnung gibt es sonst, wenn unsere Soldaten erschossen werden? Unsere Antwort muß sofortige Unterbrechung der Friedensverhandlungen sein. Solange geschossen wird, darf über Frieden nicht verhandelt werden. Daß jetzt Soldaten die Opfer sind, zeigt, wie verwegen die Palästinenser geworden sind“, meint die Sprecherin der Vereinigung jüdischer Siedlungen im Gaza-Streifen, Datia Herskovitz.
Ministerpräsident Jitzhak Rabin und Außenminister Schimon Peres erklärten hingegen, die Verhandlungen müßten weitergeführt werden, während man gleichzeitig alle nötigen Schritte unternehme, den Widerstand der Palästinenser in den besetzten Gebieten zu bekämpfen. Der Vorsitzende des Knessetausschusses für Sicherheit, Reservegeneral Ori Orr (Arbeitspartei), erklärte, daß die „nötigen Schritte“ die Bildung zusätzlicher Sondereinheiten der israelischen Armee nach dem Vorbild der als Araber verkleideten Einsatzgruppen erfordere, die eng mit den Geheimdiensten zusammenarbeiten. Kurz vor dieser Erklärung hatten sich am Montag zwei solcher verkleideter „Sondereinheiten“ in der Westbank beschossen, da sie sich gegenseitig für Palästinenser hielten. Vier Leute wurden verletzt.
Der ehemalige Stabschef Rafael Eitan, jetzt Führer der Tzomet- Fraktion in der Knesset, behauptet, daß „Israels Sicherheitssystem zusammenbricht“ und daß jetzt die Einführung „wirkungsvoller Kollektivstrafen“ erforderlich sei, wie etwa die Deportation ganzer Familien, deren Kinder Steine werfen. „Wir müssen jeden Araber umbringen, der unsere Soldaten und Zivilisten gefährdet. Es ist sinnlos, Gerichtsverfahren gegen Terroristen zu führen.“ Ariel Scharon, Ex-Verteidigungsminister der Begin-Regierung (Likud), forderte die „Terror-Liquidation“ mit den Mitteln, die er selbst vor 20 Jahren im Gaza-Streifen eingeführt hat: potentielle Terroristen dürften einfach nicht überleben. Neue Befehle zur Feuereröffnung müßten gegeben werden, damit Terroristen „beseitigt werden, bevor es zu Zusammenstößen kommt“.
Die Palästinenser sehen, daß der mehr als ein Jahr alte sogenannte Friedensprozeß keine Erleichterung gebracht hat. Da sichtlich keine Alternativen existierten, bleibe die Verschärfung des Widerstandskampfes der einzig mögliche Weg, sagte der Journalist und Rechtsanwalt Ziad Abu Zayad, einer der Palästinenserführer in Jerusalem, die besonders nachdrücklich für Verhandlungen mit Israel eingetreten sind. Der israelische Regierungssprecher Yossi Gal erklärte, die Morde an den Soldaten hätten „den Zweck, auch den Friedensprozeß zu töten“, doch sei die Regierung entschlossen, die Gespräche mit den Palästinensern nicht zu unterbrechen. Zu der vorgestern begonnenen achten Runde der Nahostgespräche in Washington sind alle Delegationen erschienen, doch hatten die Palästinenser ihre Gruppe verkleinert, um ein Signal ihrer Unzufriedenheit mit der israelischen Verhandlungsführung zu setzen. Amos Wollin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen