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"Umweltsünder bloßstellen"

■ Interview mit dem scheidenden Chef der US-Umweltbehörde, William Reilly / Vorwürfe gegen Umweltschützer: Sie haben Bush mit hohen Ansprüchen entmutigt

taz: Wenn Sie Ihre vier Jahre als Umweltminister Revue passieren lassen, was würden Sie heute anders machen?

William Reilly: Es gibt zwei oder drei selbstgesteckte Ziele, die ich nicht erreicht habe. Es ist mir nicht gelungen, der Environmental Protection Agency (EPA) einen Kabinettsstatus zu verschaffen. Ich hätte dem von Anfang an eine höhere Priorität einräumen sollen. Aber der Präsident hat mich immer wie ein Kabinettsmitglied behandelt, ich war bei den Sitzungen dabei, bekam die relevanten Informationen. Da war mir der Status zunächst nicht so wichtig. Erst in den vergangenen zwei Jahren habe ich daran gearbeitet, aber es war im Kongreß nicht durchzusetzen. Ich nehme aber an, die nächste Administration wird das Ziel erreichen.

Sind solche verwaltungstechnischen Fragen denn politisch wirklich relevant?

Es gibt leider in der Umweltszene sehr wenig Gespür dafür, wie wichtig so etwas wie der Haushalt für die Erreichung der Ziele einer Umweltbehörde ist. Ich habe deshalb später angefangen, auch bei privaten Geldgebern Mittel für die Arbeit der EPA einzuwerben. Der Haushalt der EPA ist von Präsident Bush in vier Jahren zwar um insgesamt 50 Prozent erhöht worden ist, aber viel Geld ist versickert in den Wahlkreislieblingsprojekten einzelner Abgeordneter.

Sie hatten doch deutliche Probleme, sich in der Bush-Administration durchzusetzen?

Es gibt einige ganz einschneidende Erfahrungen. Im Sommer 1989, auf dem G-7-Gipfel von Paris, war ich im Verhandlungsteam des Präsidenten. Die G-7 machte einige bis dahin einmalige umweltpolitische Zusagen, der Präsident war maßgeblich beteiligt. Aber die amerikanischen Umweltschützer, die in Paris dabei waren, zerstörten das Erreichte. Sie reagierten ungeheuer negativ. Sie kritisierten, der Präsident habe die anderen Staatschefs nicht auf einen Zeitplan zur Reduzierung der Treibhaus-Emissionen beim Kohlendioxid verpflichtet. Die Administration war damals gerade ein halbes Jahr im Amt. Wir hatten ein neues, ambitiöses Luftreinhaltegesetz in den Kongreß eingebracht. Präsident Bush ging davon aus, positive Resonanz auf seine Anstrengungen zu erhalten, er bekam sie aber nicht. Seine Einschätzung des politischen Wertes einer aktiven Umweltpolitik nahm von da an spürbar ab. Ökologen sind eben nicht zufriedenzustellen, hieß es. Was man auch tut, Unterstützung ist von ihnen nicht zu erwarten. Was hätte ich tun können? Als jemand, der aus der Umweltbewegung kam, hätte ich den Ökologen wohl klarmachen müssen, daß Sie mit uns nicht so umgehen können wie mit der Reagan-Administration.

Beim Haushalt haben Sie die Kürzungen der Reagan-Jahre zwar wieder umdrehen können, aber in der praktischen Politik hatten Sie das Ohr des Präsidenten nicht mehr?

Es war nicht so, daß der Präsident uns nicht zugehört hätte. Aber mit dem rauher werdenden politischen Klima, der Rezession und den Angriffen auf den Präsidenten von der republikanischen Rechten und Pat Buchanan, nahm die Verkäuflichkeit von Umweltargumenten einfach ab. Wir haben uns in vielerlei Hinsicht weiter ganz gut geschlagen. Wir haben jede dritte Woche ein neues Naturschutzgebiet eingerichtet, Nationalparks geschaffen. Fairerweise muß man aber zugestehen, daß die Außendarstellung des Präsidenten zuletzt nicht auf Umweltpolitik orientiert war. Die Außendarstellung war ausgerichtet auf Jobs, auf die Wirtschaft und auf Wachstum.

Der gerade neugewählte Präsident Bill Clinton und sein Vize Albert Gore vermitteln den Eindruck, sie wollten jetzt die wirkliche Umweltpräsidentschaft einläuten. Die Bush-Administration hatte ja oft große Angst, daß ihre Umweltvorschläge vom Kongreß weiter verschärft würden.

Sie können es einfacher haben, ihre Politik im Kongreß durchzusetzen. Wir haben einige Müll- und Wasserreinhaltegesetze nicht im Kongreß eingebracht, weil wir Angst vor dem hatten, was der Kongreß mit den Entwürfen machen würde. Das Luftreinhaltegesetz, das wir vorschlugen, hätte die US-Wirtschaft jährlich 17 Milliarden Dollar gekostet, das schließlich verabschiedete Gesetz kostet sie 25 Milliarden — aber dazwischen kursierten auf dem Kapitol Entwürfe, die die US-Wirtschaft jährlich 42 Milliarden Dollar gekostet hätten. Mit symbolischer Politik auf der internationalen Ebene wird es die neue Crew aber in jedem Fall einfacher haben. Sie haben zumindest den Zusammenhang zwischen Technologieentwicklung und Umweltschutz verstanden. Das alles ist aber noch keine Erfolgsgarantie, ich wäre sogar verwundert, wenn sie das EPA-Budget noch einmal um 50 Prozent erhöhten.

Sie sind zuletzt für eine Umweltpolitik mit weniger Geboten und Verboten eingetreten, wie kann eine solche Politik dennoch erfolgreich sein?

Nur ein Beispiel: Das Kommunal-Informationsgesetz verlangt von den Betrieben jedes Jahr, ihre Freisetzungen von 200 giftigen Chemikalien offenzulegen, auch wenn sie mit den Emissionen unter den zulässigen Grenzwerten liegen. Dazu gehören Zyanid, Blei, Quecksilber, Benzol und Chlorverbindungen. Einmal veröffentlicht, haben diese Zahlen einen ungeheuren Einfluß auf die öffentliche Selbstdarstellung der Firmen. Wenn Nachbarn und Beschäftigte erfahren, daß ihre Firma ein großer Umweltverschmutzer ist, fangen die Fragen erst an. Die Folge in den USA: Eine kleine Anzahl europäischer Firmen emittiert inzwischen mehr Gift als alle Firmen in den USA. Nehmen Sie ein Beispiel: Eine Fabrik, einziger Arbeitgeber am Ort, vergiftet die Umgebung mit ihren Quecksilberemissionen, die Kinder des Ortes leiden unter Entwicklungsstörungen. Wenn das einmal verstanden ist, wird die Entscheidung der Kommune über die Firma besser durchdacht und vermutlich auch breiter akzeptiert sein. Das ist sicher auch ein Vorbild für Osteuropa.

Liegt die Lösung der Umweltprobleme also in der Information, nicht unbedingt im Markt?

Information ist zentral, die öffentliche Bloßstellung von Umweltsündern ist wichtig. Gleichzeitig haben wir in den USA aber teure Schadenersatzfälle, wir haben einen Altlastenfonds, der ausgesprochen kostspielig ist für die Industrie. Die Firmen suchen inzwischen sehr ernsthaft nach Alternativen zu Halden mit immer neuem Gift. Interview: H.-J. Tenhagen

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