: Urknall in Bergedorf
Neue Erkenntnisse über die Entstehung unseres ■ Universums
Die Sensation über die Vergangenheit unseres Universums kam mit der Post: Am 12. Januar 1992 brachte der UPS-Mann der Sternwarte Hamburg-Bergedorf einige Daten vom Hubble-Teleskop. Die Auswertung dieser spektakulären Beobachtungen dauerte rund ein Jahr. Ab heute werden wir nun unsere Vorstellungen über die Entwicklung des Alls ändern müssen.
Bislang glaubte man, daß durch den Urknall alle Elemente entstanden, auch diejenigen, die in der Astronomie als „schwere Elemente“ bekannt sind, wie Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff. Doch weit gefehlt — diese für unser Leben so wichtigen Bausteine entstanden erst später, und zwar in Sternen mit enormer Masse und relativ kurzer Lebenszeit, in den sogenannten „Halo-Sternen“, die für das Kindheitsstadium von Galaxien charakteristisch sind.
Man nimmt an, daß zunächst, vor etwa 20 Milliarden Jahren, Gaswolken mit geringer Drehbewegung entstanden, dann verdichtete sich die Materie zu den massereichen „Halo“-Sternen, die als die ältesten Sterne des gesamten Alls gelten. Erst später formten sich die spiraligen Milchstraßen-Galaxien, um die noch immer Halo-Relikte kreisen.
Will man in die Frühzeit des Universums schauen, muß die intergalaktische Entfernung nur groß genug sein: Ein Objekt, das 15 Milliarden Lichtjahre entfernt ist, kann uns Aufschluß über Geschehnisse geben, die vor 15 Milliarden Jahren stattfanden. Bislang war diese Entfernung zu groß, es fehlte die genügend starke Lichtquelle. Professor Dieter Reimers und seine MitarbeiterInnen vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg entdeckten zwar schon 1988 den dritthellsten Quazar des Universums, liebevoll „HS siebzehnhundert“ genannt, der 15 Milliarden Lichtjahre entfernt ist und als Hintergrund- Lichtquelle benutzt werden kann. Doch die freie Sicht fehlte, „weil man normalerweise auf eine dunkle Wolke guckt“, wie Reimers weiß. Die „durchsichtigen Sehlinien“ wurden erst durch das Weltraumteleskop Hubble möglich, das die Erde umkreist. Die Daten, die Hubble für die Bergedorfer Sternwarte aufnahm, stammen vom Dezember 1991.
„Wir haben ziemlich lange gebraucht, um zu verstehen, was wir da sahen“, gibt Professor Reimers zu. Doch die weltersten Daten dieser Art bereichern die Astrophysik um wichtige Erkenntnisse über die Entstehung der Elemente und über die Entwicklung von jungen Galaxien. Obwohl die Daten des Hubble-Teleskops theoretisch allen Forschungsinstituten zugänglich sind, hat Reimers „keine Angst vor der Konkurrenz, wir haben zwei Jahre Vorsprung“. Annette Bolz
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