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Prima Müllkooperation: Vahrenholt lobt Industrie.

■ Industrie produziert weniger Sondermüll / Umweltbehörde setzt auf Dialog / Ausstieg aus Schönberg und der Abfallverbrennung auf See

/ Umweltbehörde setzt auf Dialog / Ausstieg aus Schönberg und der Abfallverbrennung auf See

Der in Hamburgs Industrieunternehmen anfallende Sondermüll ist in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. Darauf wies gestern Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt hin. Produzierten Hamburgs 27 größte Sondermüllerzeuger 1987 noch 72664 Tonnen gefährliche Abfälle, so schrumpfte der Müllberg 1990 bereits um über 16000 Tonnen. Für 1993 erwartet der Umweltsenator gar eine weitere Sondermüll-Reduzierung um 14000 auf insgesamt gut 40000 Tonnen Problemabfälle. „Ein Beleg für den erfolgreichen Dialog zwischen Umweltbehörde und Hamburger Industrie“, lobte Vahrenholt sich selbst.

Besonders stolz ist der Senator darauf, daß die Müllreduzierung ohne Zwangsmaßnahmen nur aufgrund der Kooperation zwischen Wirtschaft und Politik erreicht wurde. Neue Produktionsverfahren mit umweltfreundlicheren Stoffen, bessere Recyclingmöglichkeiten und die steigenden Entsorgungskosten sind nach seiner Ansicht die Ursache für die Abfallverringerung. Das Ergebnis: Hamburg konnte aus der die Meere besonders belastenden Abfallverbrennung auf hoher See ganz aussteigen, die Lieferung von überwachungspflichtigem Industriemüll nach Schönberg von 50000 Tonnen pro Jahr auf 9000 Tonnen reduzieren.

Offen bleibt allerdings, ob die Sondermüllreduzierung von über 40 Prozent in sechs Jahren für alle Hamburger Unternehmen gilt. Denn die 27 ausgewählten Wirtschaftsunternehmen erzeugen nur gut die Hälfte des industriellen Sondermülls in Hamburgs. Zu ihnen gehören Metallbetriebe wie die Norddeutsche Affinerie und die Hamburger Aluminiumwerke, Mineralölkonzerne wie Shell und DEA, aber auch die Chemie-Giganten Hoechst und BASF. Ob allerdings auch die anderen industriellen Umweltverschmutzer weniger gefährlichen Abfall produzieren, darüber liegen der Umweltbehörde keine Daten vor.

Ein weiteres Problem des amtlichen Zahlenspiels: Die puren Mengenangaben sagen nichts über die Zusammensetzung und Giftigkeit des verbliebenen Mülls aus. Weniger Abfallvolumen bedeutet deshalb nicht automatisch weniger Umweltbelastung. Allerdings kann die Umweltbehörde darauf verweisen, daß der Anfall der besonders problematischen Halogenkohlenwasserstoffe seit 1987 um fast 75 Prozent verringert werden konnte.

„Das Problem der Sonderabfälle löst sich damit aber nicht in Luft auf“, betont Fritz Vahrenholt. So würde etwa durch Schadstoffilter, die den Giftausstoß in die Atmosphäre verringen sollen, immer mehr Sonderabfall in Form von hochbelasteten Filterstäuben anfallen. Auch die kostenlose Ölrückstandsentsorgung, die Hamburg allen den Hafen anlaufenden Schiffen anbietet, bescherte der Hansestadt bereits 100000 Tonnen zusätzlichen Sondermüll. „Deshalb“, so der Umweltsenator, „muß Hamburg bei der Entsorgung von Problemabfällen auch in Zukunft die Hilfe der benachbarten Bundesländer in Anspruch nehmen“. Marco Carini

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