piwik no script img

Urdrüs wahre Kolumne

■ Advent! Bremen! Gomorra?

URDRÜS WAHRE KOLUMNE

Advent! Bremen! Gomorra?

Die Deutschen sind Weltmeister! Im Kauf von Booten und Yachten für den Privatgebrauch. Dreitausendeinhundertmillionen Mark wurden im letzten Jahr dafür ausgegeben, daß übellaunige Überstunden-Prolls in Netzhemd und lächerlichen Shorts vor Dauerwellen-Meerjungfrauen mit Thermoskanne auf Wümme oder Hamme den Breiten mimen oder ganze Lehrerrudel mit dem Lied vom Hamburger Veermaster vor Helgoland die Trottellummen erschrecken. Es wird immer noch von zu vielen zuviel Geld verdient!

Im Hofblatt(?!)der Bremer Grünen darf der mit dem Amtssitz mittlerweise siamesisch verwachsene Herr Senator jetzt schon ziemlich unwidersprochen seine Realissimus-Position zur Weidedamm III-Bebauung mit Baulöwen-Pathos vortragen. Immerhin hält ihm die Naturfreundejugend noch in bezahlter Kleinanzeige donnernd entgegen „Keine Bebauung vom Weidedamm 3“. Das ehrt die jungen Leute!

Was aber halten wir von der Erklärung der über Mord, Gewalt und Fremdenhaß in Deutschland entsetzten Beschäftigten der Stadtbibliothek Bremen, die mit schneidender Klarheit festhalten: „Wir sind gerade jetzt — wie schon seit Jahren — für Menschen aller Nationen da!“ Herzlichst: Ihre Partner für sinnvolle Freizeitgestaltung.

Es gibt derzeit keine Mehrheit dafür, die Flughafenfrage zur Koalitionsfrage zu machen — so GrünInnen-Vorstand Mareike Molkewehrum. Weiterdenkende aber wissen: Es gibt bis zum Erreichen der Altersversorgung für alle Grün- Regierenden keine Mehrheit, irgendeine Frage zur Koalitionsfrage zu machen.

Die Vollversammlung der Handwerkskammer hat mit der Mehrheit der Arbeitgeberseite erneut die rechtlich vorgeschriebene Wahl einer Frauenbeauftragen abgelehnt. Schade, daß solche Entscheidungen in der Presse immer ohne Foto des Bäckermeisters Kurt Sidow veröffentlicht werden, dem Präses des illustren Gremiums. Die Stadt würde von Gelächter erfüllt und vieles verständlicher werden. Fordernse doch mal eine Autogrammkarte dieses mittelständischen Faschingsprinzen an...

Nachdem das Frollein vom Amt bei der Telekom zunehmend durch naturidentische Aromastimmen ersetzt wird, bricht sich die Technik jetzt auch Bahn in der höchstgradig intimen Beziehung zwischen Bettelmann und Geber. An der Domsheide heischte gestern ein bucklich Männlein um milde Gaben mittels eines Cassettenrekorders, von dem es immer wieder tönte: „Liebe Mitmenschen, ich bettle nicht gern aber lieber vertraue ich auf Ihre Güte als auf die Hilfe der Behörden.“ Danach weihnachtliche Musik, dann wieder ein Jingle zur Sponsorenwerbung. Dem Mann aber war echt, und niemand spendierte ihm eine neue Batterie.

Zwei Viertklässler unterhalten sich in der Straßenbahn: „Die Andrea is so geil, wenn ich die seh, dann krieg ich einen Abgang.“ Darauf der andere: „Andrea? Die immer beim Kiosk sitzt? Kannste dir sowieso nicht leisten!“ Viertklässler! Advent 92! Bremen! Oder Gomorra?

In der sonst sehr angenehmen Alten Bierklause an der Violenstraße labert ein rotgesichtiges Herrchen auf einen englischen Gast ein: „Wissense daß es keinen einzigen Spielfilm über deutsche Kriegshelden gibt und daß ich mir Filme aus der Zeit nicht anschauen darf weil man uns entmündigt und daß wir nichts gegen Ausländer haben sondern nur gegen Kanacken und daß es ein Buch gibt von 1912 über deutsch-britische Freundschaft, leih ich Ihnen mal wennsewollen. TWO WHITE NATIONS. Von Oberst Howard Bale. Und ich mach Ihnen auchne Ablichtung von dem Buch weil es isja vergriffen und heute wirdsowasnichmehr verlegt und achte jedes Mannes Vaterland, das deine aber liebe. Das ist von einem deutschen Dichter, german poet, you know?“ Der Engländer, ziemlich matt: „Beg your pardon, ick sprecke kain Doitsch“. Dies nenne ich souverän, ein Arschloch aber ein Arschloch.

Ulrich Reineking-Drügemöller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen