: Ganz große Einigkeit für Klöckner
■ Bürgerschaft einstimmig: Hütte als integrierten Standort sichern
Alle Hände gingen hoch: Gestern verabschiedete die Bremische Bürgerschaft einstimmig, inklusive der DVU, einen gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen, FDP und der CDU-Opposition. Darin werden Arbeitgeber, Arbeitnehmer und beteiligte Banken aufgefordert, durch ein schlüssiges Konzept die Zukunft der Hütte als integrierten Stahlstandort zu sichern. Die Bundesregierung wird „gebeten“, sich auch weiterhin des Themas Stahlindustrie und damit der Bremer Hütte „anzunehmen“.
Bei aller Einigkeit wurden in der Debatte die Differenzen zwischen den Parteien deutlich. Erster Knack-Punkt: Weil Klöckner im Gegensatz zu allen anderen Hütten in Deutschland keine eigene Kokerei hat, muß das Werk den teuren Koks aus dem Ruhrgebiet kaufen. Das sichert dort zwar Arbeitsplätze, sorgt aber in Bremen bei Klöckner für jährliche Mehrkosten von fast 100 Millionen Mark. „Wir dürfen Kohle und Stahl nicht auseinander dividieren!“ betonte trotzdem Sozialdemokrat Klaus Wedemeier, der die Bremer Konsolidierung nicht mit der Brüskierung der nordrhein westfälischen Arbeitnehmer erkaufen will und kann.
Andere hatten da weniger Skrupel. Die „unglaublich hohen Subventionen der deutschen Kohle“ fand Peter Kudella (CDU) sowieso „nicht verantwortbar“. Und die CDU stehe zwar hinter dem gemeinsamen Antrag, wolle aber nicht Arbeitgebern und Banken „besondere Verantwortung“ zuweisen: „Es wird nicht gehen ohne Opfer der Arbeitnehmer“, sagte er mit Blick auf die Publikums-Tribüne, wo Klöckner-Kollegen die Debatte verfolgten. Von ihnen bekam als einziger der frischgewählte Wirtschaftsdeputationssprecher Carl Heinz Schmurr (SPD) Applaus für seine Feststellung: „Die Arbeitnehmer haben immer noch größere Verantwortung bewiesen als die Unternehmer, deren persönliches Schicksal hängt nämlich daran!“
Wirtschafts-Senator Claus Jäger (FDP) wollte „raus aus dem Zwang des Jahrhundert-Vertrages“, der Bremen an die Abnahme der teuren Ruhr-Kohle bindet, denn nur, „wenn wir Erz und Kohle importieren dürfen, können wir unseren Standortvorteil der 'Hütte am Meer' nutzen.“
Zweiter Punkt: die Banken. Sie spielen wegen der großen Verschuldung der Klöckner-Hütte eine Schlüsserolle. Bürgermeister Wedemeier hatte fast ein wenig Bankenschelte betrieben: „Die Banken im Bund, aber auch in der Region werden in den Verdacht geraten, Macht wahrzunehmen, die ihnen nicht zusteht“, warnte er, „wenn dort Macht aus der Explosion der Gewinne entsteht, muß man auch Verantwortung tragen für die Menschen, die dafür 30 Jahre ihren Buckel hingehalten haben! „ — „Ich teile das nicht alles, was hier gesagt wird“, konterte Wirtschaftssenator Jäger diese kritischen Untertöne, „gegen die Banken ist das nicht zu lösen!“
Die grüne Abgeordnete Marieluise Beck stellte das Bremer Stahlproblem in den internationalen und ökologischen Zusammenhang. Es verbiete sich von selbst, den Westen gegen osteuropäische Importe abschotten („schlicht unmoralisch“) oder trotz ökologischer Zerstörung den Verbrauch immer weiter hochtreiben zu wollen. Umbau statt Ausbau und der „geordnete Rückzug“ seien angesagt. Beck an die Bonner Adresse: „Rein marktwirtschaftliche Lösungen werden zu dramatischen Entwicklungen des Niedergangs führen. Wir brauchen aktive Industriepolitik statt einer marktliberal verbrämten Zuschauerrolle“. Ausgerechnet Klöckner Bremen dichtzumachen, das optimale Transportverbinden habe und umwelttechnisch europaweit zu den modernsten Stahlwerken gehöre, sei „Wahnsinn“.
Den so einstimmig verabschiedeten Antrag bezeichnete der Christliche Gwerkschaftsbund enttäuscht als „Wischi-Waschi- Papier“, das sich „um konkrete Aussagen drückt“, nämlich gegen den Hüttenvertrag. Die SPD-Arbeitnehmerorganisation AfA lobte dagegen Wedemeiers „klare Sprache gegenüber dem Konzern“. S.P.
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