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Krisengipfel ohne Lösungsvorschläge

■ In Edinburgh türmen sich zahlreiche ungelöste und aufgeschobene Streitfragen auf der Tagesordnung / Im Mittelpunkt wird der Finanzenstreit stehen: Delors will mehr Geld, London will weniger zahlen

Berlin (taz/AFP) – Seit dem dänischen Nein zum Maastrichter Vertrag im Juni haben sich die EG- Staaten als Meister der Verzögerungstaktik bewiesen. Egal ob zur Zukunft der Maastrichter Verträge, zur Finanzplanung der Gemeinschaft, zur Erweiterung, zur Anerkennung Mazedoniens, zur Wirtschafts- und Währungspolitik oder zu den Gatt-Verhandlungen – endlose Diskussionen bestimmten das Bild der EG.

Vor Entscheidungen drückten sich die PolitikerInnen konsequent. Beim heute im schottischen Edinburgh beginnenden EG-Gipfel türmen sich nun die Streitfragen zu einer schier unbewältigbaren Tagesordnung auf. Hauptziel der Staats- und Regierungschefs und Brüsseler EG-Größen ist inzwischen, zu vermeiden, daß die Gemeinschaft, noch tiefer in die Krise schlittert. Mit richtungweisenden politischen Entscheidungen rechnet kaum jemand.

Entscheidend ist in Edinburgh die Frage der Finanzen. Rund zwei Wochen vor Ende des Jahres hat die EG noch immer keinen Haushalt für 1993. Doch es geht nicht nur um die Finanzen für das kommende Jahr, sondern um die gesamte Finanzplanung bis zum Ende des Jahrtausends. Zur Diskussion steht ein Vorschlag von Kommissionspräsident Jacques Delors, den EG Haushalt bis 1999 um 28 Prozent auf 86 Milliarden Ecu (172 Milliarden Mark) ansteigen zu lassen. Ein britischer Gegenvorschlag sieht vor, den EG- Haushalt zunächst einzufrieren und dann bis 1999 die Ausgaben auf 75,8 Milliarden Ecu anzuheben.

Neben der Frage nach der absoluten Höhe der Ausgaben wird auch darum gestritten, wieviel Geld dabei für die ärmeren EG- Staaten zur Verfügung stehen soll. Den in den Maastrichter Verträgen für Spanien, Portugal, Griechenland und Irland geschaffenen „Kohäsionsfonds“, der diesen Ländern den Anschluß an die Wirtschafts- und Währungsunion erleichtern soll, will Delors mit insgesamt 15 Milliarden Ecu ausstatten. Der britische Vorschlag sieht nur 12,25 Milliarden Ecu sowie eine geringere Steigerung der anderen Strukturhilfeausgaben vor. Getreu dem Motto der britischen Ratspräsidentschaft, das Außenminister Douglas Hurd vor einigen Tagen in London wiederholte: „Wenn die Stürme toben, muß sich jeder von uns um die Wurzeln des eigenen Baums kümmern.“ In den ärmeren Mitgliedsländern stößt derartiger Sparsinn auf erbitterten Widerstand. So betrachtet Spanien als Wortführerin der Kohäsionsländer die Vorschläge von Delors als absolutes Minimum. In Madrid bereitete sich der Ministerpräsident in den vergangenen Tagen bereits auf einen Zweikampf in Edinburgh vor: González gegen Major.

Dem in den vergangenen Monaten deutlich gewordenen negativen Bild der EG wollen die Zwölf durch Erklärungen zu Subsidiarität und Transparenz entgegentreten. Möglicherweise werden auch als unnütz empfundene EG-Regelungen aufgehoben. Streit könnte es dabei um Vorstellungen der BritInnen geben, die vor allem im Sozial- und Umweltbereich EG- Bestimmungen streichen wollen.

Neben diesen Themen stehen eine ganze Reihe von Streitfragen an. Noch immer ist die Vergabe von Sitzen für neue EG-Institutionen wie Umweltamt und Zentralbank blockiert. Auch die geplante Erhöhung der Zahl der deutschen Abgeordneten im Europaparlament ist noch nicht beschlossen. Meinungsunterschiede bestehen auch zu den Gatt-Verhandlungen und zur Zukunft des Europäischen Währungssystems. Die Bundesregierung will zudem vom Gipfel grünes Licht für die Einführung der Straßenbenutzungsgebühr. Weiterhin unklar ist auch, wie weitgehend die Zugeständnisse an die DänInnen sein sollen.

Kommissionspräsident Jacques Delors warnte die EG-Staaten vor dem Absinken der Gemeinschaft in eine Krise, falls der Gipfel von Edinburgh scheitert. Für die Gemeinschaft gehe es um „Überleben oder Abstieg“. Unmittelbar vor dem Gipfel zeigten sich die EG- Staaten aber eher entschlossen, ihre nationalen Positionen zu verteidigen. Wenn in Edinburgh keine Einigung erzielt werde, gebe es „andere Mittel und andere Städte“, sagte der spanische Europa-Staatssekretär Carlos Westendorp. Versöhnlich waren gestern Bonn und Paris. Beide Regierungen wollen in Edinburgh die Wogen glätten – sagen sie jedenfalls. dora

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